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Schulz, Fritz Traugott
Typisches der großen Heidelberger Liederhandschrift und verwandter Handschriften nach Wort und Bild: eine germanistisch-antiquarische Untersuchung — Göttingen, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3971#0059
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versetzt hat, wie ihn das Bild auf S. 45 *) unserer Handschrift,
das populärste der ganzen Sammlung, darstellt. Auch hier
sehen wir den Sänger einsam auf einem grünen Hügel sitzen,
aus dessen Kasenflächen ebensolch zarte weisse Blümchen
hervorspriessen, wie aus dem Heinrich's von Veldeke. Das
rechte Bein ist vorgestreckt, das linke, abweichend von den
oben aufgestellten Grundzügen dieses Typus, über den rechten
Schenkel geschlagen. Die Rechte hält in Schosshöhe, am un-
tern Ende gefasst, einen nach oben steigenden Schriftzettel.
Auf den blonden, bis in den Nacken herabfallenden Locken
sitzt ein Pelzbarett. Nachdenklich und trauernd ist der Blick
des zur Seite geneigten und in die auf das linke Knie auf-
gestützte Linke gesenkten Hauptes zu Boden gerichtet. Eine
weitere Abweichung von den oben aufgezählten Merkmalen
ist das mächtige Schwert, welches vor dem Hügel lehnend
angebracht ist.

Zwar hat auch Walther den Frauendienst recht wohl
gekannt; doch während sich die Mehrzahl der zahlreichen
Minnesinger, namentlich die fürstlichen und adligen auf
Minnelieder allein beschränkten, bieten Walther's Lieder
ein weit reicheres und vielseitigeres Bild dar; neben dem
Frauendienst haben sie zum Inhalt nicht nur die Religion,
sondern auch die Politik, und namentlich sind es die politi-
schen Lieder oder Sprüche, aus denen wir W a 11 h e r s Cha-
rakter am besten kennen lernen. Er, der als ein begeisterter
Patriot stets für die Freiheit und Ehre seines Volkes geeifert,
er nahm, wie seine Lieder zeigen, an allen öffentlichen Er-
eignissen seiner vielbewegten Zeit lebendigen Anteil, und da
hatte er allerdings oft Grund zur Klage und zur Trauer. Das
will auch unser Bild zum Ausdruck bringen, welches sich auf
eben diesen seinen Schmerz über sein verwandeltes Vaterland
und mithin auf die politische Seite seiner dichterischen Thä-
tigkeit bezieht. Es ist nämlich eine genaue Illustration, wie
sie genauer kaum denkbar ist, zu der 1. Strophe des 2.
Liedes 2):

1) Vgl. A. von Oechelhaeuser, a, a. 0. S. 184,

2) S. 8, 4ff. Lach mann.
 
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