Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schulz, Fritz Traugott
Typisches der großen Heidelberger Liederhandschrift und verwandter Handschriften nach Wort und Bild: eine germanistisch-antiquarische Untersuchung — Göttingen, 1901

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3971#0061
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
61

ich liete in mine haut gesmogen
daz Jcinne und ein min wange,

so sehen wir dies von dem Maler der Pariser Handschrift
wörtlich befolgt, auf dem Bilde der Weingartner Handschrift
aber stützen die Finger der Linken das Haupt nur in der
Gegend der Schläfen1).

Bei Heinrich von Veldeke und Walther von der Vogel-
weide war der Schmerz durch den Gestus des in die Hand
gestützten Hauptes zum Ausdruck gebracht. Anders bei Ru-
dolf von Neuenburg, welchen das 10. Bild unserer Hand-
schrift mit der Ueberschrift Graue B&dolf vo Ninvenburg dar-
stellt. Hier wird die Trauer einzig und allein durch das Seit-
wärtsneigen des Hauptes bezeichnet; denn, dass wir hier nicht
einen über ein neues Poem nachsinnenden Dichter vor uns
haben, wie Oechelhaeuser zu meinen scheint2), sondern
einen, gleichfalls wie die vorigen, in tiefe Trauer versunkenen,
das werden wir weiter unten nachzuweisen versuchen. Auch
hier sitzt der Dichter einsam draussen im Freien und zwar
diesmal im Schatten eines Baumes auf einer Polsterbank. Der
linke Fuss ist emporgehoben und ruht auf einem vorsprin-
genden unteren Absätze der geschweiften Bank; das entspre-
chend gehobene Knie dient dem Ellbogen des linken Armes,
welcher einen grossen Schriftzettel hält, zur Stütze. Die
Rechte, nur wenig vom Schosz erhoben, macht ebenso wie
die Heinrich's von Veldeke eine silbenzählende Bewegung3).
Der Oberkörper ist nach vorne gebeugt; das von blonden

1) Zangemeister führt als Kriterium gegen die Entlehnung bei-
der Bilder aus einer gemeinsamen Quelle das Fehlen des Wappens in

B an; s. Zangemeister, die Wappen, Helmzierden.....S. 10;

wenn man das Bild der Weing. Hs. des Näheren betrachtet, so wird
man sich sagen, müssen, dass hier für ein Wappen kein Raum mehr
war; und -soviel Schönheitsgefühl werden wir dem Maler von B, so
wenig wir sonst seinen Kunstsinn billigen, wohl zutrauen dürfen, dass
er, wo es not that, das Wappen fortliess, um eine Ueberladung des
Ganzen zu vermeiden; man vgl. nur Bilder wie S. 1 Kaiser Haini'ich,
S. 4 Ruodolf von Fenis, S. 10 Friderich von Husen u. a. m.

2) Vgl. A. von Oechelhaeuser, a. a. 0. S. 117—119.

3) Nur sind es die 3, und nicht die 2 ersten Finger, welche diese
Bewegung machen.
 
Annotationen