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Schulz, Fritz Traugott
Typisches der großen Heidelberger Liederhandschrift und verwandter Handschriften nach Wort und Bild: eine germanistisch-antiquarische Untersuchung — Göttingen, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3971#0065
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Wenn aber Oechelhaeuser der Meinung zuneigt, wir
hätten in dem Schreiber zur Linken einen Freund des Dich-
ters und in der Dame zur Rechten die Geliebte desselben zu
sehen, so liegt dem eine verkehrte Auffassung des Grössen-
vcrhältnisses zu Grunde, wie es in der Manessischen Hand-
schrift, und wie es überhaupt in den Bilderhandschriften des
beginnenden XIV". Jh.'s zu Tag tritt. Hier auf unserem Bilde
darf überhaupt nicht die reiche Kleidung als Grund dafür an-
geführt werden, dass wir den schreibenden Mann als einen
Freund des Dichters zu betrachten hätten , denn dieses zeigt
eine reichere Pracht der Gewandung, grösseren Schmuck, und
atmet eine grössere Fülle der Farben, als wir sie sonst zu
sehen gewohnt sind. In dem Schreiber haben wir einen die-
nenden Mann zu seilen ; das Gleiche gilt von der Schreiberin,
nur dass man sich bei letzterer versucht fühlen könnte, an
des Dichters zartes Töchterlein zu denken, ähnlich wie bei
Reinmar dem Fiedler auf S. 105.

2. Der Sänger dictierend.

Während wir den trauernden Sänger draussen im Freien
seinem Schmerze nachhängen sahen, finden wir den dictieren-
den, wie es auch natürlicher ist, drinnen im Hause. Und
zwar ergeben sich als charakteristische Merkmale für diesen
Typus folgende: 1) der Sänger, als Hauptperson in grossem
Massstabe dargestellt, erscheint auf hohem Sitze; ihm gegen-
über auf niedrigerem der Schreiber, als Nebenperson in halber
Grösse gezeichnet. 2) das Haupt des Ersteren, von welchem
die blonden Locken in üppiger Fülle herniederfallen, ist weit
nach vorn gesenkt, der Blick auf den Schreiber gerichtet.

3) die Rechte ist mit befehlendem oder hinweisendem Gestus
schräg nach unten gegen den Schreiber hin ausgestreckt.

4) letzterer, vornübergebeugt, ist eifrig mit Schreiben be-
schäftigt.

Von den beiden hierher gehörigen Bildern bringe ich an
erster Stelle das des berühmten höfischen Epikers Konrad von
Würzburg auf S. 127, und an letzter Stelle das des weniger
bekannten Bligger von Steinach auf S. 58, welchen Gottfried

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