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VII. Deutsche Rechtsgedanken.
stellung von Abschnittcn, Ruhepunkten im Versahren, wie sie der fremd-
rechtlichen Theorie, bis auf eine einzige Ausnahme, unbekannt waren. Es
ist kaum zu bezweifeln, daß auch diese eine Ausnahme, die Absonderung
des Streits über die dilatorischen Einreden, aus dem deutschen Rechte in
den eanonischen Proceß übergegangen war (Planck, Bew. Urth. 43). That-
sächlich knüpfte man aber an die italienische Lehre an, wie denn überhaupt
seit der Reception es üblich wnr, jede Neuerung, jeden Fortschritt durch
Berufung nuf die Autorität des fremden Rechts zu stützen. War so ein
fester Abschnitt geschaffen, der sich deckte mit dem ersten, für die Weigerung
der Antwort bestimmten Abschnitte des deutschen Processes, so ging man
in ähnlichcr Weise selbständig weiter, die Parteipflicht zu gleichzeitigem
Vorbringen aller peremtorischen Einreden wurde anerkannt (vgl. oben
S. 76). Damit war zwar abermals ein bestimmter gleichartiger Proceßstoff
herausgehoben, allein dem Parteibelieben blieb einstweilen noch überlassen,
den Zeitpccnkt für die gleichzeitige Vorschützung der peremtorischen Einreden
zu bestimmen. Der ganze Zeitraum bis zur richterlichen Mittheilung des
Ergebnisses der klügerischen Beweisführung stand dazu offen. Eine seste
Regelung und Ordnung des Verfahrens war also noch nicht erreicht.
Der Fortschritt der Entwickelung bestand dann darin, daß man die
Vereinigung der peremtorischen Einredevertheidigung mit den Responsionen,
der speciellen Klagebeantwortung, vorschrieb. Diese Maßregel war durch-
greifend, sie führte zur Concentrirung desjenigen Streitmaterials, für dessen
Erörterung im deutschen Processe der zweite (Haupt-) Abschnitt des Processes
festgesetzt war, und damit war auch die Möglichkeit gegeben, die dritte —
zur Rehabilitirung der deutschen Proceßgliederung allein noch erforderliche —
Scheidung zwischen Behauptungs- und Beweisverfahren durchzuführen.
Der Proceß des Reichskammergerichts hat es bekanntlich zur gesetz-
lichen Anerkennung der letztbezeichneten Cäsur nicht gebracht. Wohl aber
ging in allen deutschen Territorien, die eine normale gesetzgeberische
Thätigkeit zu entwickeln vermochten, die Tendenz auf Absonderung eines
allein fiir die beiderseitige Veweisführung bestimmten Abschnitts.
Nicht also das Streben schlechthin nach Proceßkürzung, wie es die
Grundlage der Bestimmungen der Clementine 8u6pe bildet, führt zur
Ausbildung des deutschen Eventualprincips, sondern das Bedürfniß nach
Gliederung und Ordnung des Rechtsganges, wie es im mittelalterlich
deutschen Processe zum Ausdruck gekommen war, giebt der Bewegung die
Richtung. Aber freilich, mit dieser sesteren Ordnung des Proccsses war
zugleich eine Beschleunigung des Versahrens erreicht, und in bewußter Er-
kenntniß dessen that man noch einen energischen Schritt vorwärts zur
Erreichung einer weiteren Proceßbeschleunigung: das gesammte Ver-
theidigungsmaterial, dilatorisches wie peremtorisches, sollte gleichzeitig dem
VII. Deutsche Rechtsgedanken.
stellung von Abschnittcn, Ruhepunkten im Versahren, wie sie der fremd-
rechtlichen Theorie, bis auf eine einzige Ausnahme, unbekannt waren. Es
ist kaum zu bezweifeln, daß auch diese eine Ausnahme, die Absonderung
des Streits über die dilatorischen Einreden, aus dem deutschen Rechte in
den eanonischen Proceß übergegangen war (Planck, Bew. Urth. 43). That-
sächlich knüpfte man aber an die italienische Lehre an, wie denn überhaupt
seit der Reception es üblich wnr, jede Neuerung, jeden Fortschritt durch
Berufung nuf die Autorität des fremden Rechts zu stützen. War so ein
fester Abschnitt geschaffen, der sich deckte mit dem ersten, für die Weigerung
der Antwort bestimmten Abschnitte des deutschen Processes, so ging man
in ähnlichcr Weise selbständig weiter, die Parteipflicht zu gleichzeitigem
Vorbringen aller peremtorischen Einreden wurde anerkannt (vgl. oben
S. 76). Damit war zwar abermals ein bestimmter gleichartiger Proceßstoff
herausgehoben, allein dem Parteibelieben blieb einstweilen noch überlassen,
den Zeitpccnkt für die gleichzeitige Vorschützung der peremtorischen Einreden
zu bestimmen. Der ganze Zeitraum bis zur richterlichen Mittheilung des
Ergebnisses der klügerischen Beweisführung stand dazu offen. Eine seste
Regelung und Ordnung des Verfahrens war also noch nicht erreicht.
Der Fortschritt der Entwickelung bestand dann darin, daß man die
Vereinigung der peremtorischen Einredevertheidigung mit den Responsionen,
der speciellen Klagebeantwortung, vorschrieb. Diese Maßregel war durch-
greifend, sie führte zur Concentrirung desjenigen Streitmaterials, für dessen
Erörterung im deutschen Processe der zweite (Haupt-) Abschnitt des Processes
festgesetzt war, und damit war auch die Möglichkeit gegeben, die dritte —
zur Rehabilitirung der deutschen Proceßgliederung allein noch erforderliche —
Scheidung zwischen Behauptungs- und Beweisverfahren durchzuführen.
Der Proceß des Reichskammergerichts hat es bekanntlich zur gesetz-
lichen Anerkennung der letztbezeichneten Cäsur nicht gebracht. Wohl aber
ging in allen deutschen Territorien, die eine normale gesetzgeberische
Thätigkeit zu entwickeln vermochten, die Tendenz auf Absonderung eines
allein fiir die beiderseitige Veweisführung bestimmten Abschnitts.
Nicht also das Streben schlechthin nach Proceßkürzung, wie es die
Grundlage der Bestimmungen der Clementine 8u6pe bildet, führt zur
Ausbildung des deutschen Eventualprincips, sondern das Bedürfniß nach
Gliederung und Ordnung des Rechtsganges, wie es im mittelalterlich
deutschen Processe zum Ausdruck gekommen war, giebt der Bewegung die
Richtung. Aber freilich, mit dieser sesteren Ordnung des Proccsses war
zugleich eine Beschleunigung des Versahrens erreicht, und in bewußter Er-
kenntniß dessen that man noch einen energischen Schritt vorwärts zur
Erreichung einer weiteren Proceßbeschleunigung: das gesammte Ver-
theidigungsmaterial, dilatorisches wie peremtorisches, sollte gleichzeitig dem