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Anmerkungen. XII. S. 748.

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Gegen den Anwaltzwang sagte schon 1820 Gönner zutreffend:
„Möge man doch bei Beurtheilung der Form des Civilverfahrens den wichtigen
Punkt nicht übersehen, welche Form den Bürger der Vormundschaft der
Advocaten unterwirft!" (Commentar über d. bair. G- v. 1819, Einl. HXI).
Briegleb (Einl. 1859 S. 74, 7b) eifert gegen die Eventualmaxime naurentlich
auch deshalb, weil ihre „rechte Handhabrmg von Seiten der Parteicn noch weit mehr
Umsicht, rnhige Besonnenheit und Knnstfertigkeit als von Seiten des Richters er-
fordert". „Dainit ist indirect ein sehr ausgedehnter Anwaltzwang gegeben, die
Partei des so natürlichen Parteirechts selbsteigener Vertheidigungsthätigkeit so gut
wie beraubt." Nissen (Kr. V.j.schr. VIII, 1866, S. 86) referirt den Ausspruch
eines preußischen Richters: „DaS Vertrauen der altpreußischen Unterthanen zu ihren
Richtern darf nicht theoretischen Experimenten geopfert werden." — Heute — und
das ist in der T'ijat eine nothwendige Folge der Gesetzgebung von 1876 — hält
man es doch nicht mehr für bedenklich, anzuerkennen, daß der Anwalt dem Volke
näher stehe als der Richter, mehr Einfluß auf dasselbe habe, desfen Bedürfniffe
besfer kenne (?!). Energisch hat sich auch gegen dcn Anwaltzwang der modernen
Gesetzgebungen ausgesprochen v. Kräwel (Bedenken, 1865, 4b ff.). Die schöne
Schrift gipfelt in dem auch heute beherzigenswerthen Satze: „ Es muß in Deutsch -
land erst noch weit mehr zum allgemeinen Bewußtsein kommen, daß
der Deutsche ganz andere Ansprüche an seinen Richter macht, als dcr
Franzose; daß der französische Richter ganz andere Begriffe von
seiner Pflicht hat, als der deutsche."

Das ist ein tiefes, auch heute noch beherzigenswerthes Wort!
 
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