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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0056
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2

Einleitung.

Ziehungen, Verhältnissen und Einrichtungen, in der Verwaltung des Staates wie des Hauses, in
der Bearbeitung der Wissenschaft wie des Ackers, machte sich hier geltend, wie kaum irgend
anderswo. In der flammenden Sonne, wie im dunkeln Käfer sah der Aegypter gleich deutlich ein
Bild des Universums. Ist nun die Stetigkeit des Abhängigkeitsgefühles vom Absoluten der Höhe-
messer menschlicher Frömmigkeit, so waren allerdings die alten Aegypter, wie es Herodot be-
hauptet die frömmsten der Sterblichen, das sinnigste aller Geschlechter, wie sie Theophrast
benennt 2). Aber freilich ist das Denken an das Absolute noch nicht das absolute Denken selbst,
man ist darum noch nicht der vernünftigste, wenn man sich mit dem Brahman durch Selbstpeini-
gung zur reinen Vernunft zu entkörpern sucht. Will man daher das Leben dieses Volkes nicht
nach der blossen Oberfläche auffassen, will man die Naturgeschichte dieses Gewächses von seiner
Wurzel aus beginnen, so scheint es, dass man vor allen die Religion der Aegypter, als den Mittel-
punkt, von welchem aus nach den verschiedensten Seiten ihres Lebens die Strahlen schiessen, zu
erkennen habe. Sehen wir also, nach welchen Grundsätzen man seither zu der Erkenntniss dieser
Religion zu gelangen strebte. Um für den Gang unserer Bemerkungen eine leichtere Uebersicht zu
gewinnen, scheiden wir ihn in zwei Theile, von denen der eine das, was unseres Bedünkens in
der Behandlung der Aegyptischen Religionslehre zu wenig geschah, der andere das, was in ihr
zu viel geschah, also jener die Erscheinungen der Einseitigkeit, dieser die des Ueberschreitens der
gehörigen Grenzen Schritt vor Schritt verfolgen soll.

Eine Wahrnehmung, welche gewiss schon mancher mit dem Quellenstudium der Aegyptischen
Mythologie vertraute Gelehrte gemacht haben wird, ist, dass man in den bisherigen Bearbeitun-
gen dieser Wissenschaß eine nicht unbeträchtliche Anzahl mehr oder minder wichtiger Beweis-
stellen unbeachtet gelassen hat und dass demnach je nach dem Gehalte der nicht angewendeten
Materialien, das Gebäude der Aegyptischen Beligion mehr oder minder auffallende Mängel ent-
halten mussle.

Gewiss ist das Quellenstudium für unsere Wissenschaft eines der allerschwierigsten. Denn
für sie ist nicht ein beschränkter Kreis, sondern geradezu die Gesammtheit der alten Schriftsteller
von der frühesten bis zur spätesten Zeit, zu hören. Diese Aufgabe, schon gross genug wegen der
Masse der zu vernehmenden Zeugen, wächst noch besonders dadurch, dass die Zeugnisse meist nicht
in fortlaufenden Abhandlungen, sondern in einzelnen zerstreuten Mittheilungen enthalten sind. Wie
oft giebt hierbei ein umfangreiches Werk nur einige sparsame Beiträge, während ein anderes un-
sere Kenntniss des Aegyptischen Alterthumes auch nicht mit einem einzigen Worte bereichert. Die
Gesammtheit dieser Schriften, selbst wenn sie leichter zugänglich wären, als es bei nicht wenigen
derselben der Fall ist, vermag kaum der angestrengte Fleiss vieler Jahre zu verarbeiten. Wollte
also der Verfasser ankündigen, dass er auf diesem Wege seine Vorgänger, oft Männer von der
umfassendsten Gelehrsamkeit, unbedingt überbieten werde, so müsste er, ein jüngerer Mann,
wahrhaft über sich selbst erröthen. Sollte es ihm daher auch gelungen sein, durch ein beinahe seit
acht Jahren fortgesetztes Sammeln hier und da ein noch übersehenes Körnchen aufgefunden zu ha-
ben , so möge dies still bescheiden seinen Platz einnehmen, ohne desshalb der kleinen Thaten grosse
Glocke anzuschlagen. Wenn nun aber der Verfasser von diesem Ansprüche absteht, wie ist dann

1) IIkiiODOt. II, 37. fhioaeßecj neQtaaott; tovtet; /laXiara navrow m'Oqommv.

3) Poiii'HVH. de abstin. II. §g. 5. 26. ed. BiiOBR p. 100. 14<J. ru yc navzow loymrarov ytvdq.
 
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