Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0081
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung.

27

er mit so vielen Philosophen des AUerthumes getheilt haben würde. Aus diesem Zeitverhältnisse
ergäbe sich zugleich die befriedigendste Erklärung, wie uns Strabon und Porphyrios ein so entge-
gengesetztes Urtheil über den Mann überliefern konnten. Strabon, der bei vorgerücktem Alter die
Bekanntschaft des jungen Chäremon machte, hatte an ihm Prahlerei und Ungründlichkeit, nament-
lich in den astronomischen und philosophischen Wissenschaften, zu rügen. Es stand aber in Chä-
remon's Macht, diese Fehler im Verlaufe der Zeit bei fortgesetzten Studien zu verbessern, so dass
er hinsichtlich seines spätem Alters den Ruf eines wahrheitliebenden und genauen Forschers, sei
es in einem, oder in beiden der genannten Fächer, oder auch in noch anderen, hinterlassen konnte.
Denn von Josephos erfahren wir, dass ein Chäremon (aller Wahrscheinlichkeit nach der Aegyp-
tische Hierogrammatcus) Verfasser einer Geschichte des alten Aegyptens war, obschon die Verglei-
cliung des bei dem genannten Schriftsteller erhaltenen Fragmentes *} mit der eben daselbst befind-
lichen Parallelstelle Manethon's 2) und namentlich die synchronistische Zusammenstellung von Moses
und Joseph (Jakob's Sohne} die strenge Aeusserung Strabon's zu rechtfertigen scheint. Von dem
Komiker und Tragiker Chäremon ist der unsere bestimmt verschieden. Ob diess auch mit dem von
Galen 3j erwähnten berühmten Augur Chäremon der Fall ist, welcher über diese Wissenschaft
geschrieben, bleibt dahingestellt.

Fassen wir nun das bisher Gesagte zusammen, so ergab sich des Porphyrios Chäremon als
ein den Lehren der Stoa sehr ergebener Aegyptischer Priester, des Suidas Chäremon als ein Stoi-
scher Philosoph, der aber auch über Aegyptische Verhältnisse geschrieben und zu Alexandria im
ersten Jahrhunderte nach Chr. gelebt hatte, des Strabon Chäremon als ein Aegyptischer Priester,
welcher zu Anfange des ersten Jahrhunderts nach Chr. von Alexandria aus den Aelius Gallus beglei-
tet hatte und auch noch in der letztern Hälfte desselben Jahrhunderts gelebt haben konnte, des
Josephos Chäremon endlich, als der Verfasser einer Geschichte des alten Aegyptens, deren Abfas-
sung spätestens nach der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Chr. anzusetzen ist.

Das Zusammentreffen dieser Umstände scheint es mir daher wahrscheinlich zu machen, dass
der von Porphyrios und der von Strabon erwähnte Chäremon nur eine und dieselbe Person aus-
machten. Dieses nun angenommen, so fragt sich, welch eine Meinung wir im Allgemeinen über
diesen Chäremon als Beurtheiler der Aegyptischen Religion hegen dürfen. Da es theils unbekannt
ist, welchem Lebensjahre Chäremons das bei Porphyrios vorliegende Urtheil angehört, theils aber die
Probe aus Chäremon's wohl nicht in zu jugendlicher Zeit abgefasstem Geschichtswerke bei Jose-
phos keine allzugünstige Meinung von ihm erweckt, so ist er uns einerseits als ein Mann verdäch-
tig, welcher leicht die Aegyptische Religion nicht von ihrer geistigsten und tiefsten Seite aufgefasst
haben mochte, da jedoch Chäremon ein Aegyptischer Priester und (war' er dieses selbst nicht
gewesen}, jedenfalls ein mit den Aegyptischen Verhältnissen mehr oder weniger vertrauter Mann
war, welcher demnach in der Beurtheilung dieser Religion unmöglich ganz fehlgreifen konnte, so
haben wir ihm wenigstens ein bedingtes Vertrauen zu schenken, d. h. wir haben anzunehmen, dass
die von Chäremon ausgesprochene Ansicht wirklich einer Partei der Aegyptischen Priester ange-
hörte, obgleich wir hier über deren Umfang und Verhältniss zu Andersdenkenden in Aegypten gar

1) Joseph, contr. Apion. I, 32.

2) Joseph, contr. Apion. I, 14. 15. 26.

3) Galen", in Hippocrat. de acut, morbor. victu Comment. 15. ed. Kuehk. Vol. XV. p. 444.

4*
 
Annotationen