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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0531
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von Champollion.

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wie der Zeichner der frühesten Zeit seinen Gegenstand nur durch die gröberen Umrisse ohne Licht
und Schatten darzustellen wusste, so vermochte auch der Schriftbildner jener niedern Culturstufe
die Laute der menschlichen Rede bloss in farblosen Abrissen oder Skizzen auszudrücken. Da nun
in jeglicher Sprache der grösste Theil der Wortbildung die Vocale durch Consonanten einführt, so
dass diese eigentlich nicht Mit- sondern Vor-Lauter heissen sollten l). so glaubte man auch da, wo
eine gereiftere Abstraction Consonanten und Vocale nicht mehr als ein ununterschiedenes Ganze behan-
delte (Sylbenschrift theils rohere mit indifferentem Ur-Vocale, wie die älteste Indische 2) und Se-
mitische, theils gebildetere mit scharf getrennter Vocalspaltung wie die Aethiopische) und sich bereits
zu der alphabetischen Zergliederung der Lautelemente erhob, der Sache genügt zu haben, wenn
man durch die blosse Schreibung der Consonanten die Richtung angab, welche die nachlautenden
Vocale, gleichsam als deren nothwendiger Nachhall3) einzuschlagen hatten. Ausnahme hiervon
fand natürlich in den Sprachen Statt, wo der A^ocal bestimmt in die Wurzel eingedrungen war, sei
es nun, dass man ihn mit einem eignen Schriftzeichen versah, sei es, dass man ihn an
einen solchen Consonant wies, welcher organisch am mehrsten mit ihm verwandt war Im All-
gemeinen konnte die Vocalfärbung nur erst allmählig in der Schrift Eingang linden und auch hier

1) Ueber das Verliältniss des Consonant zum Vocal vgl. Rapp Vergleichende Grammatik als Xaturlehre darge-
stellt, ist. Band. Versuch einer Physiologie der Sprache nebst histor. Entwkkelnng der ahendländ. Id. nach Vhysiplog.
Grundsätzen Stuttg. 183G. p. IG. Leber dasselbe Verliältniss im Semitischen l. I. p. 17.

2) Lepsius Portographie u. s. w. p. 2G. „Ohne die Meinung von Kopp zu theileu (s. oben p. 4G6, ho. 2.), dass die
Hauchz.eichen ursprünglich reine Vocale gewesen seien, steht doch die Ansicht von Hr. Prof. EwAt» unserem Grundsä-
tze nicht weniger entgegen» Vielmehr führt uns die Bemerkung, dass man weder im Sanskrit noch im Hebräischen ur-
sprünglich die Vocale schrieb, zu dem nolhweudigen Schlüsse, dass ursprünglich ein und dasselbe Zeichen Consonant und
t'oeul bezeichnete, dass man aber nur einen einzigen Vocal kannte, welcher jedem Consonanten nachschlug, dass sich
aus diesem uubeslimmlen, oder wenn man will gleichgültigen Crvocale, der dem kurzen A am natürlichsten entsprach,
niit der Zeit I und U heraussonderten, aus welchen dann wieder die übrigen Mitteltöne und Mischungen hervor gingen"
(vgl. oben p. 465. no. 3. HüPFBtJ>). Diese Ansicht kann nur für die früheste Zeit gelten, in welcher die eben beschrie-
bene Vocalzerspaltung in der S/irache noch nicht erfolgt war, und welche den ältesten der uns überlieferten Semitischen
Sclihi'ulenkiiiählerti weit voraus ging. In diesen Sehriftdenkmählera aber ist mit Zuverlässigkeit ein bewusstes Auslassen
der Vocale anzunehmen.

3) HüPPBDD Ueber Ewald im Hermes l. I. p. 17. „(Ew.) geht von dem allen Salze aus, dass das hebr. Alphab. ein
reines Consonanten Alphabet gewesen sei, in welchem ursprünglich die Vocale gar nicht bezeichnet worden seien und be-
weist diess dadurch, dass in den Couss. die Bedeutung der Wurzel hafte, während die Vocale nur die Iii ■Ziehungen der
\Vur/.elbedentung andeuten (welches auch wohl schon die Rabbitten meinten, wenn sie mit einem trefflichen Hilde die Con-
sonanten den Körper, die Vocale die Seele, den Hauch der Sprache nannten (Bl'xtokf Tib. p. 19. 20. ed. ]Vacl1 ei~
ner schiinen Bemerkung des soharf blickenden Bopp in seiner vergleichenden Zergliederung des Sanskrit (eine der Berl.
Akad. 1824. vorgelesene Abhandlung), die sich der Verfasser zu eigen gemacht zu haben scheint, besteht nämlich die cha-
rakteristische Eigenthümlichkeit der semitischen Wortbildung im Gegensatz der Ia)ihet>sclien (indisch-griechisch-deuischeu)
Sprachstammes darin, dass der Wurzelbegriff in der dermaligen zweisilbigen Wurzelform sich auf drei Consonanten redu-
cirt, die in abstracto, d. i. ohne alle Vocale zu denken sind, aber durch Flexion und Modihcation des W'urzelbegriffs alle
mögliche Vocale bekommen können, während in jenem andern Sprachstamm die einsglbigen Winzeln stets einen charakte-
ristischen Vocal haben, der in der Flexion unverändert bleibt und oft allein verschiedene Wurzeln von einander unter-
scheidet, ■/,. B. äetn, doo>, ävo). Demnach seien die Vocale in der semilischeu Sprache und Schrift blosse Ausbauchungen der
Conss und von diesen unzertrennlich." (Vgl. Ewat.u Krit. Lehrgeb. d. hebr. Spr. pj 3!). 144. fgg») — Wenn nun Piuscian
K I. p. 544.. sich über das gegenseitige Verliältniss der Vocale und Consonanten also äussert: Mulla est differentia inter
consoiiiintes et vocales. Tantum eniin fere interest inter vocales et consonantes, quäntum inter animas et corpora. Ani-
n'ae enim per se moventur, ut philosophis videtur, et corpora movent: corpora vero nec per se sine anima moveri pos-
R"nt, nec animas movent, sed ab Ulis moventur. Vocales similiter et per'se moventur ad perficiendam syllabam et con-
sonantes movent secum: consonautes vero sine vocalibns immobiles sunt. — so sieht man, wie er, ohne den tiefern Zu-
sammenhang des Lateinischen mit. seiner Orientalischen Wurzel zu kennen und ohne von dem entgegengesetzten Semiti-
schen Standpunkte eine Ahnung zu haben, doch die Stellung seiner eignen Sprachpartei nicht eben so unrichtig charakterisirte.
 
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