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Seidel, Paul [Hrsg.]; Bode, Wilhelm [Hrsg.]; Friedländer, Max J. [Hrsg.]
Gemälde alter Meister im Besitze Seiner Majestät des Deutschen Kaisers und Königs von Preussen — Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart, [1906]

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https://doi.org/10.11588/diglit.23711#0076
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Die beiden Porträts Joachims I., die bekannt geworden sind, lassen erkennen, wie
treu in der Wittenberger Werkstätte die Tradition gewahrt wurde durch Jahrzehnte. Mit
dem Tode des älteren Lucas Cranach trat keine merkliche Unterbrechung oder Änderung
ein, da der Sohn, der zweite Lucas Cranach, die Beziehungen und den Kunstbetrieb weiter-
führte. Auch die Verbindung mit dem Berliner Hofe hörte nicht auf.

Lin Bildnis des zweiten Joachims von Brandenburg (vergleiche die Tafel) von
der Hand des jüngeren Lucas Cranach, der dem Fürsten etwa gleichaltrig war, ist im
Berliner Schlosse zu finden; eine stolze LIalbfigur, annähernd in der Größe des Lebens,
in überreichem Kostüm, einem Staatsgewande, das uns polnisch anmutet. Die hohe Kopf-
bedeckung mit Pelzwerk und prächtigen goldenen Gehängen, das reich bestickte rote Kleid,
die herrlichen Renaissance-Schmuckstücke, die an schweren Ketten hängen: alle diese
äußeren Zeichen vereinigen sich mit dem groß geschnittenen Herrscherkopf zu einem im-
ponierenden Gesamteindrucke. Die Pracht scheint nicht eiteler Gefallsucht zu dienen,
sondern als Symbol der Macht mit stolzem Bewußtsein breit entfaltet zu werden.

Die Persönlichkeit galt früher für Johann von Brandenburg-Küstrin, erst den Be-
obachtungen Paul Seidels, durch Vergleichung zeitgenössischer Holzschnittporträts, gelang
die Feststellung, daß niemand anders als Joachim II. dargestellt ist. Der 1505 geborene
Fürst erscheint etwa 60 jährig, sodaß das Bildnis nicht viel vor 1571, seinem Todesjahr,
entstanden sein kann. Die Porträtierkunst des jüngeren Cranach war zu so später Zeit
noch auf voller Flöhe.

Die Dresdener Galerie (No. 1916) besitzt die Naturstudie, die Originalaufnahme zu
unserem Porträt. Da ist nur der Kopf, ohne die Kopfbedeckung, ohne die Gewandung,
mit großer Klarheit, mit meisterhafter Sicherheit entwickelt. Diese Studie gehört zu dem
Besten, was der Meister geschaffen hat. FLin wenig von ihrer frischen Kraft entglitt dem
Maler, als er danach das Repräsentationsbildnis ausführte. Der Ausdruck ist etwas milder
und weniger gespannt als in dem Dresdener Kopf, der, isoliert auf hellem Grunde, einen
mächtigen Eindruck hervorruft. Das Berliner Porträt trägt keinerlei Signatur, ist aber
seinen Stileigenschaften nach ohne jeden Zweifel ein Werk des jüngeren Cranach. Die
lichte, rosige Fleischfarbe, der helle Hintergrund, die einfache, großzügige und etwas leere
Formensprache sind für den jüngeren Meister, im Gegensatze zu seinem Vater, charakteristisch.

Zwei Bildnisse einer behäbigen Fürstlichkeit, stilistisch mit einander und auch mit
dem Porträt Joachims II. verwandt, beide im Kaiserlichem Schlosse, sind etwa gleichzeitige
Arbeiten des jüngeren Lucas Cranach. Dargestellt ist Markgraf Georg der Fromme, wie
Paul Seidel nachgewiesen hat, das eine Mal mit bedecktem Flaupte, das andere Mal mit

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