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Schlögl: Bücher-Freunde und Bücher
schöne Dasein eines beinahe Glücklichen störte der allmächtige
Tod. Es war im Jahre 1830. Monate lang währte die übliche
„Aufnahme" des immensen Büchervorrates und ebenso lange
trug alltäglich ein Weib „buttenweise" die „verbotenen"
Bücher fort, „in die Stadt", wie es hieß, vermutlich, um sie —
nach den behördlichen Usancen der Stampfe zu überliefern.
Wenn nur keines der Verfehmten verloren ging! Die Firma
Kaulfuß & Kramer leitete die umständliche Auktion und mag
viel Schererei mit dem bunten Wüste gehabt haben.
Hatten sie die armen Buchhändler doch auch noch
später. Lachend gedenke ich heute der glorreichen Mar-
tial- und S e v e r i n u s - Aera, wo die offizielle Hätz nach
„Damnatis" besonders lebhaft betrieben wurde. Die Kataloge
erschienen damals in russischer Form, nämlich mit breiten
schwarzen 'Zensurs-Flecken, die sich über so und so viele
verpönte Zeilen ausdehnten. Was war nicht alles „verpönt",
nach dem Rezepte der genialen Staatsmänner von der Fasson
eines Weiß von Starkenfels etc. Wenn ich den
Zertsurlack — der Volkswitz hieß die breiten, schwärzen
Streifen „K u tt e n f 1 e ck el n" — neugierig abwusch, schlug ich
manchmal die Hände über den Kopf zusammen und ich befühlte
mir den Puls, um zu erproben, ob ich im normalen Zustande
mich befände, oder nitht vielleicht — tobsüchtig geworden?
Nun, die triste oder vielmehr tragikomische Epoche ist längst
vorüber und wir atmen gereinigte Luft und sonnen uns, ein paar
kurze Konfusionspausen abgerechnet, doch meist in dem Lichte
«geordneter Zustände . . .
Auch die weiland viel geprüften Buchhändler atmen nun
unbeirrt und erfreuen sich des vollen Schutzes milder und kluger
Gesetze. Freilich kann auch unter solch' geregelten Verhältnissen
dem nebenbei korrektesten Manne zeitweise ein kleines Malheur
arrivieren. Dies aber war der Fall vor nicht allzulanger Frist, als
irgendwo einem sonst hyperloyalen Antiquar und ungefährlichsten
Staatsbürger das Unglück gechah, daß er ein angeblich streng
verbotenes Buch in seinem Monats-Katataloge zum Verkaufe
annonzierte. Man schlug den entrüstetsten Lärm^und befahl, das
fff Opus zu konfiszieren. Nun geschah das zwme Unglück. Das
so heftig quästionierte Buch fand sich nicht vor, es war verlegt,
der Angeklagte, der der Behörde so gerne dienen wplüe, um
sein unfreiwillig Vergehen glanzvoll zu reparieren, war in Verzweif-
lung — man witterte Unrat, da versprach der Geängstigte mit feier-
lichem Schwüre, das Gesuchte binnen acht Tagen gewiß beizu-
stellen. Wie ihm dies gelang? Auf die einfachste Weise. Er be-
stellte das streng verbotene Buch irr Leipzig und Heß es direkt
nach X. kommen, um es daselbst, wie vorgeschrieben — eigens
konfiszieren zu lassen. So geschehen im Jahre des Heils 18**.
Versteigerungskatalog
Schlögl: Bücher-Freunde und Bücher
schöne Dasein eines beinahe Glücklichen störte der allmächtige
Tod. Es war im Jahre 1830. Monate lang währte die übliche
„Aufnahme" des immensen Büchervorrates und ebenso lange
trug alltäglich ein Weib „buttenweise" die „verbotenen"
Bücher fort, „in die Stadt", wie es hieß, vermutlich, um sie —
nach den behördlichen Usancen der Stampfe zu überliefern.
Wenn nur keines der Verfehmten verloren ging! Die Firma
Kaulfuß & Kramer leitete die umständliche Auktion und mag
viel Schererei mit dem bunten Wüste gehabt haben.
Hatten sie die armen Buchhändler doch auch noch
später. Lachend gedenke ich heute der glorreichen Mar-
tial- und S e v e r i n u s - Aera, wo die offizielle Hätz nach
„Damnatis" besonders lebhaft betrieben wurde. Die Kataloge
erschienen damals in russischer Form, nämlich mit breiten
schwarzen 'Zensurs-Flecken, die sich über so und so viele
verpönte Zeilen ausdehnten. Was war nicht alles „verpönt",
nach dem Rezepte der genialen Staatsmänner von der Fasson
eines Weiß von Starkenfels etc. Wenn ich den
Zertsurlack — der Volkswitz hieß die breiten, schwärzen
Streifen „K u tt e n f 1 e ck el n" — neugierig abwusch, schlug ich
manchmal die Hände über den Kopf zusammen und ich befühlte
mir den Puls, um zu erproben, ob ich im normalen Zustande
mich befände, oder nitht vielleicht — tobsüchtig geworden?
Nun, die triste oder vielmehr tragikomische Epoche ist längst
vorüber und wir atmen gereinigte Luft und sonnen uns, ein paar
kurze Konfusionspausen abgerechnet, doch meist in dem Lichte
«geordneter Zustände . . .
Auch die weiland viel geprüften Buchhändler atmen nun
unbeirrt und erfreuen sich des vollen Schutzes milder und kluger
Gesetze. Freilich kann auch unter solch' geregelten Verhältnissen
dem nebenbei korrektesten Manne zeitweise ein kleines Malheur
arrivieren. Dies aber war der Fall vor nicht allzulanger Frist, als
irgendwo einem sonst hyperloyalen Antiquar und ungefährlichsten
Staatsbürger das Unglück gechah, daß er ein angeblich streng
verbotenes Buch in seinem Monats-Katataloge zum Verkaufe
annonzierte. Man schlug den entrüstetsten Lärm^und befahl, das
fff Opus zu konfiszieren. Nun geschah das zwme Unglück. Das
so heftig quästionierte Buch fand sich nicht vor, es war verlegt,
der Angeklagte, der der Behörde so gerne dienen wplüe, um
sein unfreiwillig Vergehen glanzvoll zu reparieren, war in Verzweif-
lung — man witterte Unrat, da versprach der Geängstigte mit feier-
lichem Schwüre, das Gesuchte binnen acht Tagen gewiß beizu-
stellen. Wie ihm dies gelang? Auf die einfachste Weise. Er be-
stellte das streng verbotene Buch irr Leipzig und Heß es direkt
nach X. kommen, um es daselbst, wie vorgeschrieben — eigens
konfiszieren zu lassen. So geschehen im Jahre des Heils 18**.
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