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VIERTES BUCH • 1625 -1710

Frau Ursula Margarete gebornen von Haugwitz, die am Taschenberg lebten
und ein großes Haus ausmachten. Sie zeichnete sich durch einen frühzeitig üppig
entwickelten Körper aus, lebte nur dem Vergnügen, ohne irgend welche höhere Bil-
düng zu besitzen. Mutter und Tochter ließen es sich angelegen sein den Liebhaber
durch angebliche Zaubermittel an sich zu fesseln,- beim Antritt der Regirung war
es denn auch seine erste Tat die Sechzehnjährige öffentlich zu seiner Geliebten
zu erklären,- ihr Vater wurde zum Generalleutnant ernannt. Im folgenden Jahr
1692 schenkte er ihr das ehemals Nossenische, später Fürstenbergsche Haus am
Schloßplatz, das durch den »Schwarzen Gang« mit dem Schloß verbunden war,-
ebenso kaufte er für sie den Reisewitzer Garten im Plauenschen Grunde, worin
er das Wasserschlößchen erbaute <das 1891 abgetragen wurde>. In seinem letzten
Lebensjahre noch tauschte der Kurfürst von Heinrich von Bünau d. ä. Pillnitz
gegen das Amt Liehtenwalde und 20000 Taler, um es der Neitschütz zu schenken.
Die Vermählung des Kurfürsten im April 1692 mit der sechs Jahre älteren
Witwe des Markgrafen Johann Friedrich von Ansbach änderte nichts an diesem
Verhältnis,- dem Einzug der Braut in Leipzig sah er zusammen mit der Neitschütz
von einem Fenster aus zu,- die Hochzeit in Torgau wurde möglichst rasch abgetan,-
der Kurfürst erklärte sich für unfähig mit seiner Gemahlin zusammen zu leben.
Als im folgenden Sommer eine Gehirnerschütterung hinzutrat, die er sich bei
einem Sturz vom Pferde zugezogen, gestaltete sich das Verhältnis ganz unerträg-
lieh. In einem Dokument von Anfang 1693 gab Johann Georg an, daß er die Verb-
bindung mit dem Fräulein »für eine rechte Ehe halte und erkenne«,- die Kinder
daraus sollten »rechte« Kinder sein, daneben behielt er sich vor noch eine »recht-
mäßige« Frau zu nehmen: das Dokument wurde überdies auf den 16 Oktober
1691 zurückdatiert, damit Sibylle die »rechte« Gemahlin bleibe,- das alles erfolgte
auf Betreiben der alten Neitschütz zu einer Zeit als bereits feststand daß Sibylle
guter Hoffnung sei <die Tochter, die sie dann Ende Juni in Frankfurt gebar,
heiratete später einen polnischen Grafen Dunin>. Unmittelbar darauf wurde sie
vom Kaiser zur Reichsgräfin von Rochlitz erhoben, erhielt ihren eignen Hofstaat,
als Hofmeisterin eine Arnim, als Gesellschaftsdame ein Fräulein Agnes von
Kuhlau. Wäre es dem Kurfürsten gelungen sich von seiner Gemahlin zu scheiden,
so hätte einer Verheiratung mit Sibylle nichts im Wege gestanden.
Da ward diese, die seit ihrem Wochenbett gekränkelt hatte, im März 1694
von den Blattern befallen, denen sie am 4 April, neunzehn Jahre alt, erlag. Am
Abend des 12 bewegte sich der stattliche Leichenzug vom Trauerhause über den
Neumarkt und die Frauengasse nach der Sofienkirche, wo der Sarg hinter dem
Altar beigesetzt wurde. Bei Pechspänen und Wachsfackeln fuhr unmittelbar hinter

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