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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 2): Keramik, Tektonik, Stereotomie, Metallotechnik für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — München, 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.1300#0593
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588 Elftes Hauptstück.

Gussmetall in der Baukunst.'

Die dynamischen und technischen Eigenschaften der Gussmetalle
sind von denen gehämmerter Metalle sehr verschieden. Sie sind
spröder, leichter zerreissbar, von weit geringerer relativer Festig-
keit; dafür ist ihre rückwirkende Festigkeit bedeutend grösser und
sind sie minder biegsam. Beides wirkt zusammen, um den Guss-
metallen ihre Stelle in der Baukunst und in der Geräthekunst
anzuweisen.

Das Gussmetall hat wegen seiner Sprödigkeit einiges mit dem
Steine als Baustoff gemein. Eine Konstruktion aus reinem Guss-
eisen darf daher nach den Grundgesetzen der Stereotomie gedacht
und ausgeführt werden; das Gleiche gilt auch von Gussbronze.

Beispiele: Ehemaliger Pont du Jardin des Plantes, Paris,
konstruirt nach dem Wölbprinzipe, aus hohlen durchbrochenen
Kassetten, die allein im Sinne rückwirkender Festigkeit thätig sind.

Kuppel der Halle aux Bles, Paris : nach gleichem Prinzipe
konstruirt.

Antike Gitter aus Gussmetall, nach dem Vorbilde der durch-
brochenen antiken Steinplatten, obschon leichter ^

Gitter um den Altar der Madonna der Kirche Or-San Michele
von Orgagna. Gegossene gothisehe Kosetten aus Bronze, von
weissmarmornen ßahmen eingefasst.

Bei gemischten Konstruktionen sind den Gussmetallen die ihnen
gebührenden Pollen zuzutheilen, sind sie nach ihren Thätigkeiten
auch artistisch zu behandeln (Hauptstück 7. über das Absolut-
Formale der Tektonik; ferner §§. 175 u. 183 dieses Hauptstücks,
auch sonst passim).

Beispiele (keine Vorbilder): Das Ausstellungsgebäude zu Paris.

Das neue zu London.

Bibliothek der Ste. Genevieve, Paris.

Dachstühle vieler Bahnhofshallen.

Metallgegossener Hausrath.

In Betreff seiner glauben wir schon in dem §. 68 des ersten
Buchs und besonders in den §§. 139 bis mit 142 der Tektonik das

1 Das Gusseisen wird erst in der spätgothischen Zeit in die Baukunst ein-
geführt. Derartige Details zu Nürnberg die mir bekannt ältesten.
 
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