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C. Humann.

wir alte Bauten in geringer Tiefe finden würden. Gemäuer aus rohen Bruchsteinen mit
Lehm als Bindemittel kann uralt und kann von gestern sein; erst grössere Aufdeckungen
verschiedener Bauten, die locale Vergleiche gestatten, ermöglichen da eine Entscheidung.
Bei der täglich, ja. fast stündlich nöthigen Disposition über das ungeübte Arbeiter-
Personal und der Fülle von Arbeit, die die Leitung einer Ausgrabung mit sich bringt,
habe ich selbst, im Gegensatz zu den Herren von Luschan und Winter, den Hügel fast
nie verlassen. Als ich j'edoeh auf einem einige hundert Schritt entfernt liegenden Fried-
höfe das schon erwähnte Relief des Streitwagens heben liess, fand ich einen niedrigen, mit
kleinen Steinen bedeckten Damm, den ich Anfangs für den Rest einer Strasse hielt; da sie
indess im Bogen lief, kam mir der Gedanke, dass wir es mit einer kreisförmigen Um-
wallung zu thun hätten, was sich dann beim Begehen bestätigte. Der Wall, im Mittel
200 m vom Hügel entfernt, hatte eine Länge von über 2 km oder 1/2 Wegstunde.
Natürlich musste derselbe Thore gehabt haben, und nichts lag näher, als zunächst
dasjenige zu suchen, welches unserem ausgegrabenen Thore gegenüberliegen musste. In
der That lagen hier die Trümmer eines kolossalen Löwen. Eine Schürfung ergab in ge-
ringer Tiefe, aber im Sumpfwasser liegend, wodurch sich also, nebenbei gesagt, die alluviale
N Erhöhung der Ebene bestätigte, Mauerwerk von nebenstehender Form.
" "c" f n "j Davor lagen, auf das Gesicht gestürzt, 8 Relief-Platten, von denen
1 2 in B, 4 in A, 2 westlich in C gefunden wurden. Auch fand sich
der Kopf des Kolossal-Löwen, nicht aber sein einstiger Standplatz.
Die Suche nach dem Fundament der westlichen Thorseite blieb resultatlos des vielen Wassers

wegen und musste auf eine trocknere Zeit verschoben werden.
Gleich nach unserer Ankunft hatten wir einen armenischen Schulmeister gefunden,
der sehr ortskundig sein sollte und engagirt wurde, um uns alle alten Reste der nächsten
Umgebung zu zeigen. Am 13. April ritten die Herren von Luschan und Winter mit ihm
nach Nikopolis, wo Winter eine lateinische Inschrift copirte, dann nach dem Dorfe Keller,
wo sie das untere Stück eines hittitischen Reliefs fanden: Frau an einem Tische sitzend,
ein Mann stehend gegenüber. Am 23. theilte ein Arbeiter mit, dass sich auf einem eine
halbe Stunde entfernten Friedhöfe ein Bildwerk befinde, was Herr von Luschan zu besich-
tigen hinritt. Es sass fast ganz in der Erde, und als dann am 26. Herr von Luschan und
Winter mit 4 Arbeitern hingingen, um es freizulegen, ergab sich die untere Hälfte einer
Statue mit einer grossen, nach unserer Ansicht phönizischen Inschrift. Sie steht heute unter
dem Namen Panammü-Statue im Königlichen Museum (vergl. Ausgrabungen von Sendschirli I,
S. 44 ff., Taf. VIII).
Am 27. ritten beide Herren eine Stunde weit nach Norden in’s Gebirge, wo man ihnen
einen Stein zeigte mit dem bekannten Motiv des Gastmahls und einer hittitischen Inschrift.
Ausserdem hatte Winter begonnen, sämmtliche Thor-Reliefs im Maassstabe 1 : 10 zu
zeichnen, Herr von Luschan hatte eine Menge Kranker zu behandeln, die von allen Seiten
herbeikamen, von uns Allen wurden viele Photographien angefertigt und ich beschäftigte mich,
soweit es die Arbeitsleitung zuliess, mit der Vermessung und dem Nivellement des Hügels.
So gingen wir nach dreiwöchiger Arbeit in den Mai hinein und konnten zu-
frieden auf unsere Funde zurückschauen. Es war so viel, dass wir hoffen durften, dass
der von der türkischen Regierung zu gewährende Antheil die Kosten des Orient-Comites
decken und eine zweite Campagne ermöglicht würde, selbst wenn wir keine weiteren Funde
machten. Uns standen nach dem Programm noch etwa zwei Monate Arbeit bevor; der ge-
waltige mit Asphodelos, der Unterweltsblume, dicht bestandene Hügel, verhältnissmässig
noch kaum angebohrt, lag vor uns wie ein riesiges Geheimniss, aber die Grundlage für eine
zweite Campagne musste gefunden werden. Dass wir es mit einem Herrschersitz zu thun
hatten, lehrten uns die reichen Thoranlagen, somit musste ein Palast oder derartiges da-
 
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