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Ausgrabungsbericht und Architektur — Ausgrabungen in Sendschirli, 2: Berlin: W. Spemann, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.49440#0032
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R. Koldewey

fügung kleinerer Stücke und Lehm abgeglichen, um so eine neue ebene Lagerfläche herzu-
stellen. Auf dieser kann dann die Packung einer weiteren Reihe von Blöcken vorgenommen
werden. So erhält man für die Mauern den charakteristischen Querschnitt, wie er auf den
Abbildungen 28, 40 zu Tage tritt. Da die Kantenblöcke der einzelnen Schichten grösser
und mächtiger gewählt werden als die inneren, so bemerkt man beim Abgraben häufig auf
der Oberfläche einer Schicht nur die seitlichen Blöcke, während die mittlere Fläche schein-
bar ganz aus Füllwerk von kleinen Steinen mit Erde besteht, und erst nach Abheben dieser
Ausgleichungsschicht bemerkt man wieder die unten liegenden grösseren Steine.
Wie immer bei naiven Stilen Structur und äussere Erscheinung in innigster Wechsel-
beziehung zu einander stehen, so musste namentlich ein so ausgeprägtes Schichtungssystem
für die äussere Gestaltung der Mauern von maassgebendem Einflüsse sein, und so bildet
denn auch die Reihen-Schichtung der Wände eine Haupteigenthümlichkeit der Bauformen
von Sendschirli. Zwar greifen hier und da einzelne Theile der Blöcke in die nächst oben
oder unten liegenden Schichten über, aber immer so, dass man deutlich eine jede Reihe
als Einheit aufzufassen und die von ihr verbrämte Schicht zu erkennen im Stande ist. Manch-
mal greifen auch die Kantenblöcke von je zwei auf einander liegenden Schichten stärker in
einander über, so dass eine Art Doppelschicht entsteht (Abb. 21).
Die Packung selbst erfolgt mit Hülfe eines Mörtels aus mehr oder weniger gereinigter
Thonerde, die namentlich zwischen den grösseren Blöcken, weniger im Innern der Mauer, den
Charakter von wirklich geschlemmtem Thonmörtel annimmt. Meist sind die äusseren Fugen
nur verstrichen, hier und da aber (vergl. S. 132) auch die ganze Aussenseite gleichmässig damit
überzogen. Obwohl eine solche Sorgfalt fast darauf schliessen lässt, dass dieser Theil der
Mauer einst sichtbar gewesen sei, ist doch ein Hinausragen der Steinfundamente über das ur-
sprüngliche Terrain mit wenigen Ausnahmen (vergl. S. 157) nicht zu erkennen. Nur bei einem
grossen Theil der Burgmauern lag die Aussenseite frei.
Auf den Fundamenten aus Steinpackung sitzen die eigentlichen Mauern aus ungebrannten
Ziegeln nicht unmittelbar auf, sondern unter Zwischenfügung eines hölzernen Rostes, der je
nach Bedeutung und Bauzeit verschiedene Formen annimmt. Zu unterscheiden sind drei Haupt-
formen: 1. der grosse Balken rost, bei welchem etwa fussstarke Balken durch die ganze
Dicke der Mauer gestreckt werden, in einer Entfernung von einander, die der Dicke der Balken
gleichkommt; eine Steinpackung in der Art der unteren Fundamente liegt zwischen den Bäumen
und ist oben mit diesen zusammen zu einer glatten Fläche abgeglichen. Darauf steht die Ziegel-
mauer. Bei der Vergänglichkeit des Holzes ist dieses selbst zwar an keiner Stelle erhalten ge-
funden; jedoch sind die langgestreckten Höhlungen, in denen die Balken lagen, vielfach als
solche zu erkennen, besonders in den Fällen, wo die Balken in Brand geriethen, den um-
gebenden Thon rötheten und härteten, so dass an einigen Stellen noch die Textur des ab-
geschlichteten oder nur roh vorgerichteten Balkens zu erkennen war (vergl. S. 155). Wo dem
Bautheil weniger Wichtigkeit beigelegt wurde, sind 2. die Balken durch dünnere Rund-
hölzer ersetzt, die dichter bei einander liegen, während die Packung der Krümmung der
Hölzer folgt (vergl. S. 113).
Bei einer bestimmten Gasse von Denkmälern fehlt 3. die Steinreihe zwischen den
Balken, obwohl der grosse Balkenrost selbst deutlich erkennbar war (vergl. S. 159). Nimmt
man aber an, dass zufällig auch diese Spur verschwunden wäre, dann würde sich das Fun-
dament heutzutage als rostlos darstellen. Und in der That finden sich Mauern, bei denen man
zweifeln muss, ob der Rost ohne erkennbare Spuren vernichtet sei, oder ob die Mauer über-
haupt keinen Rost besessen habe. An einigen Stellen (vergl. S. 134) liessen verkohlte Reste auf
einen Rost aus Brettern schliessen; auch eine derartige Construction konnte leicht spurlos ver-
schwinden. Wir werden alle Fundamente, bei denen ein Rost nirgends deutlich beobachtet
ist, als gegenwärtig rostlos bezeichnen.
 
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