Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ausgrabungsbericht und Architektur — Ausgrabungen in Sendschirli, 2: Berlin: W. Spemann, 1898

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49440#0034
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
106

R. Koldewey

plattenförmigen Blöcke an den unteren Wandtheilen nennen können. Sie stehen fast immer
auf einem besonderen Hausteinfundament aus niedrigen flachgelegten Blöcken, Läufern, und
greifen mehr oder weniger tief und unregelmässig in das Backsteinmauerwerk ein. So
gewinnt ihre Gesammtgestalt nie die dünne Plattenform der assyrischen Alabaster-Orthostaten;
denn bei dem muscheligen Bruch und bei der grossen Härte des Materials (Dolerit) wurde
ein Zersägen, wie es bei Alabaster thunlieb ist, zur Unmöglichkeit. Die Bearbeitung der
Rückseite wurde auf das Nothwendigste beschränkt.
Oben haben die Orthostaten vielfach viereckige oder runde Dübellöcher, bei denen
man zuerst an die Art griechischer Verdübelung von zwei aufeinanderstehenden Blöcken
denkt. Davon kann hier nicht die Rede sein, nicht sowohl wegen des Mangels einer
Vorrichtung für Bleiverguss, der ja auch bei älteren Verdübelungen in Griechenland fehlt.
Vielmehr lässt die Oberfläche der Blöcke hier und da, namentlich am äusseren Burgthor
(vergl. S. 123), deutlich erkennen, dass hier nicht Stein auf Stein gestanden haben kann.
Die Oberfläche ist an den betreffenden Stellen nicht horizontal und hat hinten eine Erhöhung.
Es lagen danach über den Orthostaten Langhölzer, welche, mit den Steinen verdübelt, diese zu
einer unbeweglichen Einheit gestalteten und zugleich die Möglichkeit boten, die Steinver-
brämung mit dem Mauerkern durch ebenfalls hölzerne Anker zu verbinden. Ebenso sind auch
die runden Dübellöcher auf assyrischen Orthostaten (z. B. denen von Nimrud) zu deuten.

Haben wir so einen Begriff von den häufiger auftretenden Constructionen in Send-
schirli gewonnen, so können wir gleich an dieser Stelle auch versuchen, über einige nicht so
deutlich erhaltene Formen zur Klarheit zu kommen. Dahin gehören namentlich die Stützen
und die Dächer.
Basen von runden Stützen sind einzeln häufig und einige an Ort und Stelle gefunden
worden. Dagegen fehlt jede Spur von der Stütze selbst. Macht schon dieses ihre Herstellung aus
einem vergänglichen Material wahrscheinlich, so kommt hinzu, dass auch die sonst in solchen
Fällen nicht fehlenden kleinsten Splitter hier nicht beobachtet sind. Man muss bedenken,
dass eine steinerne Säule wohl in der grossen Masse der Ruine nach späterer Verschleppung
an andere Stelle verborgen bleiben oder überhaupt entwendet sein könnte, dass aber beim
Sturz oder beim Transport fast nothwendig kleine Fragmente absplittern müssen, die bei
einer einigermaassen sorgfältigen Ausgrabung kaum übersehen werden könnten. Man darf
daher mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass sämmtliche Freistützen in Sendschirli
aus Holz bestanden. Ist diese Annahme richtig, so wird dadurch mit Sicherheit die einstige
Existenz steinerner Capitelle ausgeschlossen. Für die Begrenzung der den Säulen entsprechenden
Wandenden, die Stirnflächen der Wände, ist damit allerdings noch Nichts unmittelbar be-
wiesen. Die steinernen Orthostaten umschliessen nur den unteren Theil. Wo sie an Ort
und Stelle stehen, beweisen die Dübel, dass auch hier nur Holz aufgesessen hat.
Für die Dächer glaube ich ebenfalls aus den Fundumständen einen Schluss auf die
ausschliessliche Verwendung von flachen Holzdecken machen zu müssen. Mit Ausnahme von
zwei oder drei Dachziegelscherben aus später griechisch-römischer Zeit ist nie eine Spur einer
monumentalen Dachconstruction gefunden worden. Dächer mit Ziegeln, also verhältnissmässig
stark geneigte Dächer, bei denen Ziegel eben nicht zu entbehren sind, kamen demnach
hier nicht vor. Auch von gewölbten Decken findet sich nirgends eine Spur. Zwar zeigen sich
die Lehmziegelmauern häufig gewölbeartig ausgebogen, doch liegen diese Stellen immer so
nahe dem Fussboden der entsprechenden Bäume, dass an einen Zusammenhang dieser Er-
scheinungsform mit der ursprünglichen Verwendung von Gewölben nicht gedacht werden
kann. Bei näherer Untersuchung solcher Stücke stellt sich heraus, dass diese Form nur die
der Vernichtung ist. Nach Zerstörung der Bauten hat der Einfluss der Witterung die oberen
 
Annotationen