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Ausgrabungsbericht und Architektur — Ausgrabungen in Sendschirli, 2: Berlin: W. Spemann, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.49440#0035
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Die Stadtmauer

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Theile der Mauern aus einander gedrängt, so dass die äusseren Schichten der Backsteine bogen-
förmig nach aussen herausgedrängt wurden; innen aber hält ein Theil der Schichten noch
horizontal zusammen, und die nach oben sich verbreiternden Längsrisse sind dann deutlich
bemerkbar. Demnach kommt das Gewölbe in Sendschirli nicht vor.
Die Decke selbst kann man sich wohl in der noch heute im Orient üblichen Bau-
weise denken: grössere Balken trugen die darüber gestreckten Rundhölzer oder Bretter, über
die dann eine starke Schicht Thonerde gelegt wurde. Auf diese Weise entstehen die im
Orient so ungemein mannigfach benutzbaren Dachterrassen, auf denen sich ein grosser Theil
des Lebens der Bewohner abspielt. Sie räuchern auf den Dächern der Häuser, beten an und
bauen Altäre, sie bauen Laubhütten, heulen und laufen auf den Dächern.1
Mit dem Hinblick auf die Dachconstruction erschöpft sich die Behandlung der häufiger
wiederkehrenden Constructionen, und wir können zur Betrachtung der einzelnen Ruinen
übergehen.

I. BESCHREIBUNG DER RUINEN.
1. DIE STADTMAUER.
Tafel XXIX, XXXI.
Den Hügel von Sendschirli, der die Burgruine enthält, umgiebt das Gebiet der Stadt
in der Form eines Kreises von ca. 720 m Durchmesser.
Schon vor der Grabung war die Linie der Stadtbefestigung vielfach sichtbar. Im
Osten verläuft der Weg nach Marasch zum Theil auf der Stadtmauer. Das Stadtgebiet ist
jetzt fast eben; der Pflug geht zum Theil darüber hin, ein Friedhof liegt darauf (im Osten),
und dorniges Gestrüpp und Fehler füllen den nördlichen Theil, wo der Bach von Enteli
den Fuss der Mauern bespült. Ein Theil des heutigen Dorfes hat sich am südwestlichen
Hügelfusse angenistet, ein zweiter Theil im Nordwesten des Stadtgebietes und ein dritter
entstand während der Grabung im Südwesten der Stadt. Bei starken Regengüssen nimmt
der Bach von Enteli oberhalb der Stadt eine südliche Richtung an und verläuft dann an
dem südwestlichen Theil der Mauer, tritt aber nie auf das Stadtfeld selbst, denn dieses
liegt im Ganzen etwas höher als die Ebene. Deutlich erkennt man von der Höhe der west-
lich benachbarten Berge aus, dass der Rasen des Stadtgebietes dieses wie ein dünnes Leichen-
tuch bedeckt, rings um die etwas excentrisch nach Südwesten zu emporragende Burgruine.
Die Befestigung besteht aus einem doppelten Ringe, dessen Mauern durch einen
Zwischenraum von 7.30 m von einander getrennt sind. 3 Thore vermitteln den Zugang:
eines von Süden, eines gegen Westen und eines im Nordosten. Sie bezeichnen die Rich-
tungen der Hauptwege das Thal abwärts, das Thal aufwärts und westlich auf den Pass
durch das Gebirge.
Ausgegraben sind die Thore, der grösste Theil der äusseren Mauer und ein Stück
der inneren bei dem Thurm Nr. 38, 39 und 40 auf dem Plane, Tafel XXIX. Hier sowohl
wie bei jedem der Thore zeigte sich eine solche Übereinstimmung zwischen den beiden
Mauern, dass man sich füglich mit der Ausgrabung nur des äusseren Ringes begnügen konnte,
der weniger verdeckt lag als der etwas tiefer begrabene innere. Am Westthor einerseits
und an dem nördlichsten Punkt der Mauer anderseits (Thurm Nr. 77) ging diese dermaassen
in den Zustand der Vernichtung über, dass eine Ausgrabung der letzten nordwestlichen
Strecke als aussichtslos aufgegeben werden musste.

1 Jerem. 19, 13. 32, 29. Zephanja 1, 5. II. Kön. 23, 12. Nehem. 8, 16. Jesaja 15, 3. 22, 1 und II. Sam. 16, 32.
 
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