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Thorsculpturen — Ausgrabungen in Sendschirli, 3: Berlin: Druck und Verlag von Georg Reimer, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.49504#0010
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204

F. v. Luschan.

die Breite zwischen den Mundwinkeln 70 cm. Das grösste und besterhaltene der vorhandenen
Bruchstücke ist hier, Fig. 93, abgebildet. Es zeigt einen 120 cm langen Kopf, der auf beiden
Seiten gleichmässig; rund gearbeitet ist und also frei aus der Flucht der gewöhnlichen
Orthostaten herausgeragt hatte. Von dem übrigen Leib ist nur ein kurzes, etwa 30 cm
langes Stück erhalten, rechts mit einer Stossfuge und oben mit einer glatten Fläche, auf der
Mauerwerk aufruhte, so dass der Stein dadurch als Thürlaibungs-Orthostat gekennzeichnet
ist. Auf diesei’ Fläche befindet sich ein viereckiges Dübelloch, 5 X 7 cm gross und 5 cm tief.
Die Ohren sind als flache, fast kreisrunde, nach oben gewandte Schalen gebildet, die
Augen als quergestellte elliptische Höhlen von 18 und 14 cm Durchmesser. Auf dem Boden
beider Augenhöhlen sind noch heute, trotz der im allgemeinen sehr schlechten Erhaltung der
Oberfläche kleine Gruben sichtbar, je eine in der Mitte des Bodens, etwa cylindrisch gestaltet,
ungefähr einen Centimeter im Durchmesser haltend und ebenso tief. Ich glaube nicht, dass
diese beiden völlig symmetrischen Gruben anders aufgefasst werden können, denn als Reste
von Dübellöchern. Daraus ergibt sich
also der fast sichere Schluss, dass die
Augen ursprünglich aus anderem Materiale
gefertigt und mit richtigen kleinen Dübeln
O Ö Ö
in den Höhlen befestigt waren.
Was sonst an grossen und kleinen
Bruchstücken von diesen beiden Thor-
löwen erhalten ist, stimmt stilistisch
durchaus mit den auf Taf. XXXXVI ab-
gebildeten Löwen überein und bedarf hier
keiner weiteren Erörterung.
Äusser diesen beiden Laibungs-
löwen gehörten zum inneren Stadtthore


Abb. 93. Kopf eines Laibungs-Löwen vom südlichen Stadtthore,
etwa V20 d- w-

noch grosse, an ihrer Aussenseite mit
flachen Reliefs geschmückte Orthostaten,
von denen acht in unmittelbarer Nähe

der Mauerfundamente gefunden wurden. Wie viele ursprünglich vorhanden waren und in
welcher Reihenfolge sie gestanden, lässt sich nicht mehr ermitteln. Zugleich mit einem
neunten, wie oben schon erwähnt, nicht in situ gefundenen, aber vermuthlich doch zu-
gehörigen Relief sind diese Bildwerke hier auf Taf. XXXIV vereinigt. Sie sind alle gleich-
mässig roh und primitiv, und sind auch alle aus einem ganz besonders grobblasigen Dolerit
gearbeitet. Natürlich ist ein solches Material unendlich viel leichter zu bearbeiten, als der
feinblasige oder gar völlig blasenfreie Dolerit, den wir in Sendschirli sonst vielfach zu Bild-
werken verwandt finden, abei* die Oberfläche eines solchen Reliefs ist so rauh und ungefällig,
dass man sich gerne vorstellen möchte, sie sei ursprünglich mit einem glatten Putze und
wohl auch mit Farbe bedeckt gewesen. Thatsächlich kennen wir aus Sendschirli ein späteres
Relief, an dem ein grosses, durch eine natürliche Luftblase gebildetes Loch durch einen ein-
gekeilten Stein, wie durch eine riesige Plombe, ausgefüllt ist und an anderen Orthostaten
haben sich auch völlig einwandfreie Reste von Stuck und von alter Bemalung erhalten.
An den Reliefs des Stadtthores hingegen, die sich unter ganz besonders ungünstigen
Umständen befunden hatten, vielfachen Ueberschwemmungen ausgesetzt waren und wohl auch
lange Zeiten hindurch ganz frei und ungeschützt an der offenen Luft gelegen hatten, sind
heute nirgends mehr Reste von Stuck oder Bemalung zu erkennen; wir müssen sie betrachten,
wie sie gegenwärtio- sind und können nur vermuthungsweise daran denken, dass sie ursprüng-
lieh sehr viel weniger roh und barbarisch ausgesehen haben können, als sie sich heute
O <~7 7
präsentiren.
 
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