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Sieglin, Ernst von; Watzinger, Carl [Hrsg.]; Schreiber, Theodor [Hrsg.]
Expedition Ernst von Sieglin: Ausgrabungen in Alexandria (Band 2,1B): Malerei und Plastik — Leipzig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27682#0066
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FRAUENKÖPFE

FRAUENKÖPFE

21.Mädchenkopf aus Achmim. Früher Sammlung Reinhardt. Stuttgart Inv. 8.

Tafel XIX. Weisser Marmor, gelb patiniert. H. 19,8 cm, Gesichtsh. 12,2 cm.

Der Hals ist am unteren Ansatz schräg nach hinten glatt abgeschnitten
(moderne Herrichtung der antiken Bruchfläche?). Unterlippe und rechte Wange be-
stossen, die abgebrochene Nase ist für die Abbildung auf der Tafel hässlich in Gips
ergänzt. Haar stark versintert. Das von der Stirnmitte an durchgescheitelte Haar
ist in langen Strähnen nach den Seiten und über die Ohren gestrichen und war
hinten in einem Schopf vereinigt, der abgebrochen ist. In den vom Haar allein
unbedeckten Ohrläppchen Löcher für Ohrringe. Die rechte Kopfseite ist sorgfältiger
ausgeführt als die vom Beschauer abgewandte linke, die Haarsträhnen sind hier
durch tiefe gebohrte Kanäle getrennt; vor dem Ohr löst sich ein kleines gedrehtes
Löckchen von dem übrigen Haar los. Das Haar links ist nur flüchtig angedeutet,
das Ohrläppchen auch z. T. vom Haar bedeckt, eine Locke vor dem Ohr war nicht
vorhanden. Ein Teil des zurückgestrichenen Haares war auf einer mit langen
Meisseihieben roh zugehauenen Fläche besonders aus Stuck angefügt. Der etwas
erhobene Kopf wendet sich mit leichter Neigung nach der linken Schulter; die vom
Beschauer abgewandte linke Gesichtshälfte ist verkürzt. Von dem zarten Oval des
Untergesichts gibt die Tafel wegen der allzu harten dunklen Schatten nur eine un-
vollkommene Vorstellung.

Der Mädchenkopf Nr. 21 sei hier an die Spitze der zahlreichen, von Th. Schreiber
mit besonderer Vorliebe gesammelten weiblichen Köpfe der Sieglinsammlung gestellt,
weil in ihm die praxitelische Tradition noch am lebendigsten wirksam erscheint.
Wie die Haltung des Kopfes an die Knidierin erinnert, so knüpft auch die Bildung
der Augen und des noch nicht übertrieben kleinen Mundes an diese an. Das in
breiter Fläche ohne Binde vom Scheitel aus nach hinten gelegte Haar ist Mädchen-
tracht. So trägt es z. B. die jüngere Tochter der Niobe (vgl. E. A. 821), und unter
den Fragmenten der Altarfiguren des Asklepieion auf Kos ist das Bruchstück des
Kopfes einer Asklepiostochter erhalten (M. Bieber, Jahrbuch 1923/24 XXXVIII/1X
425, Abb. 1), dem genau dieselbe Frisur wie dem Sieglinschen Kopf eigen ist; nur fehlt
das kleine gedrehte Löckchen vor dem Ohr. Diese Löckchen vor den Ohren sind im
4. Jahrhundert wohl eine im Leben gebräuchliche Frisur gewesen; bekannt sind sie
von den idealisierten Frauenporträts dieser Zeit, die man Sappho zu nennen pflegt, die
aber Frauen aus der Zeit, nicht aus einer zurückliegenden Vergangenheit wiedergeben
 
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