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Simson, Otto von
Zur Genealogie der weltlichen Apotheose im Barock besonders der Medicigalerie des P.P. Rubens — Leipzig, Strassburg, Zürich: Heitz & Co., 1936

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Einleitung
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II. Die antike Allegorie in ihrem Verhältnis zum Menschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.63507#0027
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sprünglich abstracta besitzt, d. h. ob die Wortbildungen, die zur
Bezeichnung abstrakter Begriffe dienen, zu diesem Zwecke ge-
schaffen sind, oder ihre Wertung erst nachträglich empfangen
haben.“ Bei Homer, bei Aischylos1) wirken Eris, Phobos usw. als
Götter, ihr Name aber bezeichnet „eine in übernatürlichem We-
sen hervortretende Eigenschaft oder Kraft“, ihre Begriffe sind
ursprünglich adjektivischer Art. Es liegt dieserErscheinung doch
jenes unvergleichlich aesthetisch-bildnerische Vermögen des
griechischen Geistes zugrunde, aus dem heraus noch seine
philosophischen Konzeptionen wie mit Augen geschaut sind.
„Für den griechischen Geist ist alles Erkennen eine Art von Er-
blicken“, sagt Dilthey. Das gilt auch für die mythische Be-
gabung, „abstrakte Begriffe ohne weiteres zu göttlichem Rang
zu erheben“.2) Andrerseits ist nicht zu verkennen, daß dadurch
die griechische Götterwelt auch einen eigentümlich gedank-
lichen Charakter gewinnt. Diese abstrakten Gottheiten stehen
in der griechischen Mythologie „durchaus auf derselben Linie
wie die Sondergötter“, sie bilden aber auch später den Schlüssel
um jene zu verstehen: im Laufe der Zeit haben diese Sonder-
gottheiten sich jene Begriffsgötter untertan gemacht, ihre Wir-
kungen in die eigene mit hinübergenommen. Athena und Nike
werden so zu einer Gottheit, damit aber gewinnt „Nike“ wieder
ihre adjektivische Bedeutung: Athena Nike ist die Siegbringerin
geworden. Die unnennbare, schrecklich einige Wirklichkeit der
alten Gottheiten war mit dieser verallgemeinernden Erweiterung
ihres Bereiches zweifellos vergeistigt, „humanisiert“. In die
irdische Sphäre, in das Gefüge des Staates konnten ihr Wesen
und ihre Kraft jetzt bezogen werden, ja wir haben hier den
Grund, aus dem der griechische Mythos als Einziger den heilig-
natürlichen Raum überdauert hat, aus dem er entsprang; den
Grund zugleich zu seiner Verwandlung in die Allegorie. Der
gleichen Fähigkeit, welche einst Eigenschaften zu Götter-
gestalten belebt hatte, war es nun ein Leichtes, jene Götter zu
Ideen zu verwandeln, mit ihren Namen allgemeine geistige Be-
griffe zu bezeichnen. So hat Pindars TtdvTcov ßacri)<eu£ ftsiwy ts

’) Vollends dann bei Vergil, besonders Aeneis VI 274 ff.
2) Usener a. a. O. S. 369.

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