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Springer, Anton
Geschichte Österreichs seit dem Wiener Frieden 1809: in zwei Theilen (Band 1): Der Verfall des alten Reiches — Leipzig, 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.29905#0031
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Die Steuerreform.

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und Lohnarbeiten zu leisten, verpflichtet aber konnte der Unterthan nur
zur Geldabgabe werden. Die Verwirklichung dieses Grundsteuergesetzes
hätte ohne Zweifel den solgenreichsten Umschwung in allen Verhältnissen
herbeigesührt nnd die ganze Entwickelung Oesterreichs in neue Bahnen ge-
leitet. Zunächst hätte das bis dahin nbliche Wirthschaftssystem eine
gründliche Aenderuug ersahren, die begüterte Aristokratie sich dem Ver-
derben preisgegeben gesehen, falls sie nicht im Stande war, Jntelligeuz
uud Capital zur Hilfe heranzuziehen. Beides war aber in den aristo-
kratischen Kreisen keineswegs allgemein verbreitet. Zum Glücke sür die-
selben häuften sich die Hinderuisse in demselben Maße, als die Steuer-
resormen zur Durchführung gelangten. Fest stand die Unznfriedenheit
der alten privikegirten Stände, weniger sicher war man der vollkommeuen
Befriedigung der Unterthanen. Die Verwaudluug des Frohndienstes in
eine Geldrente erschien ihuen in vielen Fällen keiueswegs als eiue Erleich-
terung, da sie über Zeit und Arbeitskrast bequemer als über eine Bar-
schaft verfügen konnteu. Wenn es sich um die Negeknng der alten Herr-
schaftsbezüge handelte, konute man gewiß sein, daß die Rechnung der
Berechtigten und Verpflichteten nicht zusammen stimmte und giftigen
Streit erweckte. Was in der Absicht, Frieden zn schaffen und den allge-
meinen Wohlstand zu mehren, verfügt war, drohte die Quelle endloser
Processe nnd weitgreifender Verarmung zu werden. Während die Bauern
hier sich in höhnischem Tone sagen lassen mußten, sie würden nicht mehr wie
früher Frohnen- nnd Naturalleistungen, sondern Geld und Frohnen- und
Naturalleistungen zu entrichten haben, raunte man ihnen dort in die
Ohreu, sie sollten nnr warten und keine neuen Verträge abschkießen, da
ja doch demnächst alle Abgaben an die Herrschasten nuentgeltlich aufge-
hoben würden. Da auch das Gruudsteuerpatent grundsätzlich an dem
Feudalwesen festhielt und von der „Vergütung des Schntzes" sprach,
welchen die Obrigkeiten den Unterthanen gewähren, so ist es begreisiich,
daß auch in der von Kaiser Joseph am meisten begünstigten Menschen-
klasse das Gefühl der Uusicherheit und des Mißtrauens jede andere Re-
gung überwog. An und sür sich zeigte der Bauer slawischen Stammes
keine große Opferwilligkeit und das Plötzliche der Regierungsmaßregeln
vermehrte seine Verblüfftheit: noch rathloser aber wnrde er durch die
Forderung, auch von den alten Sitten und Gewohnheiten, vom Aber-
glauben und der ererbten geistigen Trägheit zu lassen und dem ihm völlig
unverständlichen Rationalismus zu huldigen. Die höheren Stände, posi-
tiven Anschauuugen durch ihre französische Bildung vielfach entfremdet,
hätten sich denselben wohl rasch angeeignet, desto tiefer wurde das niedere
Volk durch die von Joseph II versuchte Sitteureform verletzt. An dem
Widerstande gegen die letztere brach sich zuerst die kaiserliche Macht. Die
berüchtigtste Maßregel auf diesem Gebiete, die Begräbnißordnung vom
23. April 1784, welche das Verscharren der Todten in leinenen Säcken
 
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