Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Springer, Anton
Geschichte Österreichs seit dem Wiener Frieden 1809: in zwei Theilen (Band 1): Der Verfall des alten Reiches — Leipzig, 1863

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.29905#0037
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der böhmische Landtag t790.

27

Glauben Bekehrten eine Prämie zu erhalten. Ausschluß der Protestanten
von der Landtagssähigkeit, vom Erwerbe nnbeweglicher Güter, von Aem-
tern und Lehrstellen, Zurückweisnng der Juden in die Schranken, inner-
halb welcher ihnen 1746 der Ausenthalt im Lande gestaltet worden war
(Sitz. v. 25. Aug. 1790), erschienen als die zweckdienlichsten Maßregeln,
um die Glaubenseinheit des Königreiches zu bewahren.

Vom Landeswohle unzertrennlich erschien den Ständen die Wahrung
der eigenen Rechte, in hohem Grade jenem sörderlich ihre Erweiterung.
Die Räthe von der Landesregierung oder dem Gubernium sowie die Kreis-
hauptleute sollten von nun an aus den einheimischen begüterten Adelichen
genommen werden. Von den Landesosfizieren galt diese Bedingung selbst-
verständlich. Gefordert wurde ferner, daß der Ernennung der Landes-
offiziere ein ständisches Gntachten vorangehe, denselben Sitz und Stimme
bei dem Gubernium eingeräumt, die Leitung der Verwaltung dem Vor-
sitzenden der Stände, dem Oberstburggrafen, stets übertragen werde. Ber-
letzt der OberstburZgraf die Landesverfassung oder die ständischen Privile-
gien, so haben die Stände das Recht, Klage und Beschwerde über ihn
zn sühren.

Mehr noch als diese Forderungen wersen die solgenden Wünsche:
„die Stände dürsen nur a psoibng curias gerichtet werden, der weiße
Thurm aus dem Prager Schlosse solle wieder als Gesängniß zum aus-
schließlichen Gebrauche sür Adeliche dienen, bei dem Appellationsgericht
seien Räthe aus dem Stande der Herren, Ritter und Bürger zu ernen-
nen, bei allen Gerichtssitzungen die Mitglieder des höheren Standes durch
Vortritt zu ehren" den Schein aus die Stände, als ob sie blos sür
das Abgestorbene und Längstvergangene einen ossenen Sinn gehabt, als
ob lächerliche und kleinliche Eitelkeit allein bei ihren Berathungen den
Vorsitz gesührt habe. An die erwähnten Bitten und Beschwerden
schließen sich aber andere an, welche beweisen, daß die Stände eine reale
Machtvermehrung keineswegs aus den Augen verloren. Sie verlan-
gen *) Mittheilung aller Gesetzentwürse zur Prüfung derselben, sie neh-
men das Recht der Steuerbewilligung sür sich in Anspruch, ihnen oder
ihrem Ausschusse steht das Recht auf Einberufung des Landtages auch
gegen den Willen der Regierung zu; sie bestreiten den Commissären der
Regierung die ansschließliche Befngniß, in den Landtagen Anträge zu
stellen, und versteigen sich endlich **) zu dem Gedanken, ihre Angele-
genheiten durch einen förmlichen ständischen Gesandten in Wien ver-
treten zu lassen. Es sollten demnach nicht allein die Reformen Jo-
sephs II zurückgenommen werden, sondern eine gänzliche Aenderung
der staatsrechtlichen Verhältnisse Böhmens zur Dhnastie und zum Reiche

*1 «Lltzung vom 21. Juli.

**) Sitzung vom 30. August.
 
Annotationen