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I. 2. Die Reaction gegen Josephs I! Reformen.
eintreten. Zwischen den Zeilen der Verhandlnngen kann man deutlich die
Lust der Stände, sich als consritnirender Landtag zu geberden, durchlesen.
Die Art und Weise aber, wie die Stände ihre Rechte auffassen und die
Beziehungen zur Ddnastie regeln wollen, zeigt, daß sie, weit entfernt der
Zeitströmung blind entgegenzutreten, vielmehr von modischen Einflüssen
und den gerade bei der Partei der Aufklärer beliebten Anschauungen sich
mitbestimmen lassen. Als Fundamentalgesetz des Königreiches gilt die alte
Landesordnnng Ferdinands II. An diesem Gesetze zu rütteln, hätte den
Ständen billige Vorsicht verbieten follen, da dasselbe auch für ihr Da-
sein und ihre Privilegien den festen Boden bildet. Dennoch tönnen
sie der Versuchung nicht widerstehen, den gangbaren Meinungen von
dem Staate, der auf einem einfachen Vertragsverhältnisse beruht, zn
huldigen, und rechtfertigen*) ihre Wünsche bezüglich einzelner Aendernngen
des Grundgesetzes durch Betrachtungen, die füglich in der französischen
Nationalversammlung hätten gesprochen werden können. Daß Kaiser
Ferdinand sich das Recht vorbehalten habe, die Landesordnung zu mehren
und zn bessern, erkläre sich aus den zufälligen Zeitverhältnissen, es
stehe aber mit dem Wesen eines Verfassungsgesetzes ein solches einseitiges
Necht im Widerspruche und dürfe nicht mehr zur Anwendung kommen.
Wäre es nach dem Willen der Stände gegangen, so hätte die böhmische
Krone auf dem Hanpte der lothringischen Dpnastie eben so locker gesessen
wie jene des h. Stephan. Die von den Ständen verbesserte Landesord-
nnng sollte von dem Kaiser beschworen und für alle seine Nachfolger ver-
bindlich werden, das Recht der Gesetzgebung aber zwischen dem Könige
und den Ständen getheilt sein. Man wittert in diesen Vorschlägen dent-
lich die Luft der politischen Ansklärung. Die Josephinische Richtung, zwar
hestig bekämpft und leidenschaftlich angegriffen, hat anch bei den Gegnern
Wurzeln gefaßt und wird von denselben, ohne daß sie es ahnen, fort-
gesetzt. Und nicht in diesen Punkten allein. Der Ruf nach der Wieder-
herstellnng der Censur war nur so weit aufrichtig gemeint, als es sich um
die Zurückweisung ständeseindlicher Schristen handelte. Zur Vertretnng
der eigenen Angelegenheiten erschien den Ständen eine censurfreie Presse
dienlicher. Sie ließen die „Sammlung einiger Schriften, welche von den
böhmischen Ständen über das neue Steuer- und Urbarialsystem veranlaßt
wurde" im Auslande drucken, und da em Verbot der Schrift bald nach-
folgte, dieselbe über die Landesgrenze fchmuggeln.
Die Regierung Leopolds II tänschte gleichfalls die Erwartung,
als ob sie die vollständige Abkehr von den Anschauungen des verstor-
benen Kaisers in ihren Handlungen ofsenbaren würde. Sie nahm
zwar die eine nnd die andere Maßregel Josephs II zurück, behielt
aber andere Einrichtungen standhast bei. Die Unruhe und Bewegung,
p Sitzung vom 9. August.
I. 2. Die Reaction gegen Josephs I! Reformen.
eintreten. Zwischen den Zeilen der Verhandlnngen kann man deutlich die
Lust der Stände, sich als consritnirender Landtag zu geberden, durchlesen.
Die Art und Weise aber, wie die Stände ihre Rechte auffassen und die
Beziehungen zur Ddnastie regeln wollen, zeigt, daß sie, weit entfernt der
Zeitströmung blind entgegenzutreten, vielmehr von modischen Einflüssen
und den gerade bei der Partei der Aufklärer beliebten Anschauungen sich
mitbestimmen lassen. Als Fundamentalgesetz des Königreiches gilt die alte
Landesordnnng Ferdinands II. An diesem Gesetze zu rütteln, hätte den
Ständen billige Vorsicht verbieten follen, da dasselbe auch für ihr Da-
sein und ihre Privilegien den festen Boden bildet. Dennoch tönnen
sie der Versuchung nicht widerstehen, den gangbaren Meinungen von
dem Staate, der auf einem einfachen Vertragsverhältnisse beruht, zn
huldigen, und rechtfertigen*) ihre Wünsche bezüglich einzelner Aendernngen
des Grundgesetzes durch Betrachtungen, die füglich in der französischen
Nationalversammlung hätten gesprochen werden können. Daß Kaiser
Ferdinand sich das Recht vorbehalten habe, die Landesordnung zu mehren
und zn bessern, erkläre sich aus den zufälligen Zeitverhältnissen, es
stehe aber mit dem Wesen eines Verfassungsgesetzes ein solches einseitiges
Necht im Widerspruche und dürfe nicht mehr zur Anwendung kommen.
Wäre es nach dem Willen der Stände gegangen, so hätte die böhmische
Krone auf dem Hanpte der lothringischen Dpnastie eben so locker gesessen
wie jene des h. Stephan. Die von den Ständen verbesserte Landesord-
nnng sollte von dem Kaiser beschworen und für alle seine Nachfolger ver-
bindlich werden, das Recht der Gesetzgebung aber zwischen dem Könige
und den Ständen getheilt sein. Man wittert in diesen Vorschlägen dent-
lich die Luft der politischen Ansklärung. Die Josephinische Richtung, zwar
hestig bekämpft und leidenschaftlich angegriffen, hat anch bei den Gegnern
Wurzeln gefaßt und wird von denselben, ohne daß sie es ahnen, fort-
gesetzt. Und nicht in diesen Punkten allein. Der Ruf nach der Wieder-
herstellnng der Censur war nur so weit aufrichtig gemeint, als es sich um
die Zurückweisung ständeseindlicher Schristen handelte. Zur Vertretnng
der eigenen Angelegenheiten erschien den Ständen eine censurfreie Presse
dienlicher. Sie ließen die „Sammlung einiger Schriften, welche von den
böhmischen Ständen über das neue Steuer- und Urbarialsystem veranlaßt
wurde" im Auslande drucken, und da em Verbot der Schrift bald nach-
folgte, dieselbe über die Landesgrenze fchmuggeln.
Die Regierung Leopolds II tänschte gleichfalls die Erwartung,
als ob sie die vollständige Abkehr von den Anschauungen des verstor-
benen Kaisers in ihren Handlungen ofsenbaren würde. Sie nahm
zwar die eine nnd die andere Maßregel Josephs II zurück, behielt
aber andere Einrichtungen standhast bei. Die Unruhe und Bewegung,
p Sitzung vom 9. August.