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Springer, Anton
Geschichte Österreichs seit dem Wiener Frieden 1809: in zwei Theilen (Band 1): Der Verfall des alten Reiches — Leipzig, 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.29905#0150
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II. 2. Das Finanzpatent.

O'Donnel waren theils nnbedeutende und einflttßlose, theils allen Neue-
rungen abholde Männer, alle mehr oder weniger unfähig, einen großen
Reformplan klar zu entwerfen und kräftig durchzufnhren. Aber selbst in
diesen Kreisen hatte die unerbittliche Nothwendigkeit die Ueberzeugung ge-
weckt, daß die bisher beliebte Lässigkeit nicht länger ohne die größte Ge-
fährdnng des Staatswohles geduldet werden könne. Jn drei Richtungen
drängten die Verhältnisse zu einer kräftigeren Thätigkeit. Es galt den
Ansbau einer einheitlichen Gesetzgebung, die Ordnung der Finanzen und
die Verständigung mit Ungaru.

Man mochte in den Regierungskreisen noch so sehr gegen den ver-
derblichen „Josephinismus" eifern und alle lebendigen Erinnerungen an
die Jahre 1780—1790 gewaltsam zurückdrängen, man blieb doch der Erbe
Kaiser Josephs nnd mußte einzelne Verpflichtungen aus jener Zeit über-
nehmen. Kaiser Joseph hatte den Kamps gegen die Sonderrechte und
Sonderinteressen der verschiedenen Provinzen nicht zu Ende sühren kön-
nen, aber doch so viel erreicht, daß jene ihre Krast und ihre Stützen ver-
loren. Sie neu zu beleben, widerrieth den österreichischen Staatsmännern
der Vortheil des Reiches; den eineu Grundsatz der Josephinischen Politik:
die Macht des Gesammtstaates steht im umgekehrten Verhältnisse zu der
Stärke der Provinzialgeister, hielten auch seine Nachsolger fest. Eben so
wenig konnte die Rechtsunsicherheit, welche durch die Unterbrechung der
Legislatur, die Gegenstrebuugen des Alten und Neuen nach Josephs Tode
einriß, dauerud erhalten werden. Der 1786 oeröffentlichte Civilcodex blieb
ein Bruchstück, das Strasgesetzbuch vom Jahr 1787 sand bei der folgen-
den Regierung keine Gnade, die allgemeine Gerichtsordnung endlich vom
Jahr 1781 scheiterte an der den älteren Gerichtsnormen gegenüber
beobachteten Schonung. Die unglaublichsten Verschiedenheiten mach-
ten sich nach kurzer Zeit wieder geltend, nicht blos in den einzelnen Pro-
vinzen, souderu selbst bei den einzelnen Gerichtshösen derselben Stadt.
Andere Gerichtssormen waren z. B. bei den Magistraten, andere wieder
bei den sogenannten Laudrechten, dem privilegirten Forum des Adels, im
Gebrauche. Vielfach begnügte sich die spätere Regierung mit dem Ver-
bergen oder nothdürftigen Flicken der vorhandenen Schäden; in Bezug
aus das Civilrecht allein fühlte sie die Nothwendigkeit eines vollständigen
Entwurses. Nach langjahrigen Vorarbeiten, an welchen sich insbesondere
Martini's berühmter Schüler Zeiller betheiligte, wurde am 1. Juni

1811 das bürgerliche Gesetzbuch kuudgegeben uud am 1. Januar

1812 in den deutsch-slavischen Provinzen in Wirksamkeit gesetzt.

Aus vielen Bestimmungen leuchtet unverkennbar noch derJosephinische
Geist, welcher sich überhaupt in der Rechtssphäre am längsten erhielt und
durch Psteger, Zeiller, Fechtig, Pratobevera auch noch im Rathe des Kaisers
Franz eine krästige Vertretung fand. Das Eher'echt des bürgerlichen Ge-
setzbuches erkennt den Civilehevertrag vollkommen deutlich an, erklärt die
 
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