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Springer, Anton
Geschichte Österreichs seit dem Wiener Frieden 1809: in zwei Theilen (Band 1): Der Verfall des alten Reiches — Leipzig, 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.29905#0277
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Die österreichische Herrschast in Jtalien.

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die Aufgabe der Lombardei unter der altösterreichischen Herrschaft gewesen,
noch konnte es jetzt die Geister locken und die Gemüther befriedigen.
Es war schlimm sür die Regierung, aber noch -schlimmer für Jtalien,
daß der Widerstand gegen Oesterreich zuerst von geheimen Gesellschaften
ausging und in den Resten des Napoleonischen Heeres sich verkörperte.
Gegen die erstern mußte die Hilse der geheimen Polizei angerufen werden,
die militärischen Verschwörer aber, gewöhnlich nur von hohlem Ehrgeize
geleitet, machten, da kein Staat in der Armee Parteien dulden durste,
die Sache Oesterreichs bei allen Mächten Europa's beliebt. So kam ein
verderblicher Giftstoff in das öfsentliche Leben Jtaliens, wurden Verlogen-
heit und Trugsinn im Volke, Gewaltsamkeit und Brutalität in den Kreisen
der Regierung heimisch. Die unsichere Lage Jtaliens im Jahre 1814,
die Schwankungen in den Verhältnissen der Großmächte, die langen Ver-
zögerungen in der Organisation der Lombardei gaben den Parteien Zeit
fich zu kräftigen, den Verschwörern und geheimen Gesellschaften die Ge-
kegenheit, sich auszubreiten, leeren Träumen, falschen Vorstellungen und
bitteren Empfiudungen Raum, sich im Bewußtsein der Jtaliener dinzu-
nisten. Als endlich nach langem Säumen die geregelte österreichische
Verwaltung begann, war bereits der Krieg zwischen Volk und Regierung
erklärt, die Möglichkeit einer verständigen Auseinandersetzung verschwun-
den. Nach welchen Grundsätzen sollte das oberitalienische Land administrirt
werden? Die Staatsmäuner der alten Schule meinten nicht anders,
als daß ein Erzherzog mit ausgedehnten Vollmachten als Statthalter
nach Mailand gesendet werden müsse und der Provinzialverwaltung eine
größere Selbständigkeit zu gestatten sei. Sie hatten das Bild früherer
Zeiten vor Augen und durften sich auf wohlbegründete Traditionen be-
rufen. Diesem Plane stand aber die Eifersucht und der Geiz des Kaisers
entgegen. Nicht weil er an die Einführung einer geordneten Ceutralisation
dachte — die anarchisch neben und gegen einander regierenden Behörden
Llieben danernd in Wirksamkeit — sondern weil er das Ansehen eines
Erzherzogs, der in Mailand Hos hielt und wirkliche Macht besaß, fürchtete,
insbesondere wenn Erzherzog Karl von der öffentlichen Meinung als
Vicekönig verkündigt wurde, und dann weil er die Kosten einer selb-
ftändigen Verwaltung scheute, wollte er auch die italienischen Provinzen
von Wien aus regieren. Während man so in Wien über die Form der
lombardischen Administration schwersällig berieth, füllte sich die Luft
Italiens mit den seltsamsten Gerüchten. Da sollte, gerade so wie es
Bentink den Genuesern zugesagt hatte, auch die Republik von San Marco
wieder aufgerichtet, dann wieder der Großherzog Ferdinand von Toskana
zum souverainen König der Lombardei ausgerufen werden.*) Es war

slarettä äi Veneris, 22. October 18t4.
 
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