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Springer, Anton
Geschichte Österreichs seit dem Wiener Frieden 1809: in zwei Theilen (Band 1): Der Verfall des alten Reiches — Leipzig, 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.29905#0279
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Der Kampf gegen Murat.

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Land einer strengen Anfsicht bedürse." Aus Vorsicht verlegte die Regierung
im Spätherbst 1814 die der österreichischen Armee einverleibten italienischen
Regimenter nach Ungqrn und Mähren und ließ ungarische und kroatische
Trnppen in Jtalien einrücken. Sie ließ durch falsche Brüder verrathene
Verschwörer, meist hohe Offiziere, verhaften und unter die peinliche An-
klage des Hochverrathes stellen, sie errichtete in Mantua einen außerordent-
lichen Gerichtshof für die Aburtheilung politischer Verbrecher, warnte vor
unvorsichtigen politischen Gesprächen und hatte die italienische Kolonie
auf dem Spielberge schon im April 1815 mit sieben Ansiedlern bevölkert.
Aber auch durch Liebe wollte sie die Jtaliener günstig stimmen und erlaubte
im Mailänder Ridotto die Hazardspiele, „weil das Spiel an sich nicht
sündlich sei, auch die Jtaliener an die Hazardspiele gewohnt wären."*)
Weder jene Strenge noch diese Milde hätten aber Früchte getragen, wenn
bei Murat eine bessere Tüchtigkeit und ein größeres Glück vorhanden ge-
wesen wäre. Gedrängt von den Anhängern Napoleons, gehetzt durch die
Carbonari, durch seine Freunde in Wien und Paris von den Anschlägen
der Bonrbons gegen seine Herrschaft unterrichtet, schlug er endlich auf
die Nachricht von Napoleons Flncht von der Jnsel Elba los. Zweideutig
auch jetzt noch in seinem Wesen und seinen Schritten schmeichelte und
drohte er zu gleicher Zeit dem Papste, huldigte und bekriegte er Oesterreich.
Nicht gegen diesen Staat, sondern gegen die Bourbons Frankreichs er-
öffne er den Kampf, nicht Oesterreich, sondern dem rnssischen Ehrgeize
gelte seine Feindschast; wie sich aber damit sein Marsch gegen den untern
Po, sein Bund mit der nationalen Partei vereinigen lasse, klärte er nicht
auf. Er bedachte nicht, daß das Wiener Cabinet sich schon längst von
ihm loszusagen wünschte, und die gegen ihn eingegangenen Verpflichtungen
überaus lästig fand, daß nur die Sorge, Mnrats Fall werde den fran-
zösischen Einfluß in Jtalien vergrößern, eine Schwenkung der öster-
reichischen Politik verzögerte, nur die Scheu, angreifend zu verfahren,
die Kriegserklärung zurückhielt. Jene Sorge war in dem Augenblicke,
wo die Bourbons aus Paris mit unwürdiger Hast flohen, überflüssig,
diese Scheu beseitigte Mnrat durch seinen Aufruf von Rimini (30. März),
worin er den Völkern Jtaliens verkündigte, die Stunde der Besreiung sei
sür sie gekommen, und als Feldgeschrei die Unabhängigkeit Jtaliens von
den Alpen bis Sicilien ausgab. Gegen Oesterreich zunächst, ja ans-
schließlich war die pathetische Erinnerung an die Grenzen, welche die
Natur Jtalien gesetzt habe, — nebenbeigesagt ein an Petrarca verübtes
Plagiat — und welche wieder gelten sollten, gerichtet, die Oesterreicher
allein waren die Fremden, welchen nur die Wahl zu fliehen oder von den

*) A. Allg. Zeitung 1815. S. 164. Die Erlaubniß wurde am 11. November
desselben Jahres wieder zurückgenommen.
 
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