Die deutsche Politik.
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Neigungen den sachlichen Jnteressen unterzuordnen, brachten sie es dahin,
daß nach einem Menschenalter die österreichische Macht sich nur noth-
dürftig behauptete, das Triumphgeschrei, womit Metternichs Schmeichler
sein Austreten nach den Freiheitskriegen begleiteten, gänzlich verstnmmte.
So war es in Deutschland, so in Jtalien. Zur Regelung der dentschen
Verhältnisse war auf dem Congresse viel Zeit nnd Papier verbraucht
worden. Wenn auch die Unmöglichkeit der Wiederherstellung des alten
römisch-deutschen Kaiserthumes seststand nnd eben so allgemein die Schwäche
der vereinzelten kleinen deutschen Staaten anerkannt war, so herrschte doch
über die künstige politische Form Deutschlands die größte Nnklarheit und
der traurigste Zwiespalt. Für das Wiener Cabinet bot die deutsche Frage
keine erheblichen Schwierigkeiten dar. Hatle schon das frühere Band zwi-
schen Deutschland und der Habsburgischen Dhnastie die österreichischen
Stämme nur wenig berührt, und die deutsche Kaiserkrone nnr einen im-
merhin zweifelhasten Zuwachs an äußerer Macht gebracht, so waren durch
die Ereignisse der letzten Jahre die Beziehungen noch viel lockerer gewor-
den. Der Kaisertitel konnte jetzt, nachdem ihn die Herrscher Oesterreichs
aus ihre Erbstaaten übertragen, nicht mehr reizen, den trenen Anhang,
welchen Oesterreich in srüheren Zeiten bei einzelnen deutschen Fürsten
gesunden hatte, durste es auch fernerhin hossen, sich durch Verträge
zu sichern. Für Oesterreich blieb die deutsche Frage eine bloße
Machtsrage. Und wenn Metternich sie in dieser Weise anssaßte, und
die Verbindung mit Deutschland nur einseitig zu knüpsen trachtete,
so daß wohl das Wiener Cabinet auf die deutschen Staatem Einfluß
üben, keineswegs aber Verpflichtungen gegen dieselben eingehen sollte,
wenn er das Verhältniß Oesterreichs zu Deutschlands als ein diplo-
matisches festhielt, welches aus die inneren Zustände des ersteren keine
rückwirkende Kraft übe, so traf diese Voraussicht durchaus das Richtige.
Bis iu die vierziger Jahre blieb auch den deutschen Stämmen Oesterreichs
die politische Theilnahme sür Deutschland durchaus sern, sie beharrten, bei
allen Shmpathien für deutsche Bildung, in vollkommener Gleichgiltigkeit
gegen die politischen Bestrebungen der Stammesgenossen, und ließen sich
erst durch revolutionäre Leidenschaften und von außen angeregt, auf die
Erörterung ihres politischen Verhaltnisses zu Deutschland ein. Es gab
wohl Reichsstraßen und Reichsthore in Oesterreich, im Sprachgebrauche
erhielten sich Anklänge an die alte Verbindung Oesterreichs mit Deutsch-
land, man wnßte, daß österreichische Truppen im „Reiche" Garnison hal-
ten, und beneidete in militärischen Kreisen die Kameraden, die in Mainz
die Fleischtöpfe Aeghptens kennen lernten, im Uebrigen aber haben selbst die
Gebildeten von den Bnndespflichten Oesterreichs keine klare Borstellung
gewonnen und der Staatskanzlei alle Sorgen um die dentschen Angele-
genheiten überlassen.
Schon frühe, im October 1813, hatte Metternich seine Ansicht von
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Neigungen den sachlichen Jnteressen unterzuordnen, brachten sie es dahin,
daß nach einem Menschenalter die österreichische Macht sich nur noth-
dürftig behauptete, das Triumphgeschrei, womit Metternichs Schmeichler
sein Austreten nach den Freiheitskriegen begleiteten, gänzlich verstnmmte.
So war es in Deutschland, so in Jtalien. Zur Regelung der dentschen
Verhältnisse war auf dem Congresse viel Zeit nnd Papier verbraucht
worden. Wenn auch die Unmöglichkeit der Wiederherstellung des alten
römisch-deutschen Kaiserthumes seststand nnd eben so allgemein die Schwäche
der vereinzelten kleinen deutschen Staaten anerkannt war, so herrschte doch
über die künstige politische Form Deutschlands die größte Nnklarheit und
der traurigste Zwiespalt. Für das Wiener Cabinet bot die deutsche Frage
keine erheblichen Schwierigkeiten dar. Hatle schon das frühere Band zwi-
schen Deutschland und der Habsburgischen Dhnastie die österreichischen
Stämme nur wenig berührt, und die deutsche Kaiserkrone nnr einen im-
merhin zweifelhasten Zuwachs an äußerer Macht gebracht, so waren durch
die Ereignisse der letzten Jahre die Beziehungen noch viel lockerer gewor-
den. Der Kaisertitel konnte jetzt, nachdem ihn die Herrscher Oesterreichs
aus ihre Erbstaaten übertragen, nicht mehr reizen, den trenen Anhang,
welchen Oesterreich in srüheren Zeiten bei einzelnen deutschen Fürsten
gesunden hatte, durste es auch fernerhin hossen, sich durch Verträge
zu sichern. Für Oesterreich blieb die deutsche Frage eine bloße
Machtsrage. Und wenn Metternich sie in dieser Weise anssaßte, und
die Verbindung mit Deutschland nur einseitig zu knüpsen trachtete,
so daß wohl das Wiener Cabinet auf die deutschen Staatem Einfluß
üben, keineswegs aber Verpflichtungen gegen dieselben eingehen sollte,
wenn er das Verhältniß Oesterreichs zu Deutschlands als ein diplo-
matisches festhielt, welches aus die inneren Zustände des ersteren keine
rückwirkende Kraft übe, so traf diese Voraussicht durchaus das Richtige.
Bis iu die vierziger Jahre blieb auch den deutschen Stämmen Oesterreichs
die politische Theilnahme sür Deutschland durchaus sern, sie beharrten, bei
allen Shmpathien für deutsche Bildung, in vollkommener Gleichgiltigkeit
gegen die politischen Bestrebungen der Stammesgenossen, und ließen sich
erst durch revolutionäre Leidenschaften und von außen angeregt, auf die
Erörterung ihres politischen Verhaltnisses zu Deutschland ein. Es gab
wohl Reichsstraßen und Reichsthore in Oesterreich, im Sprachgebrauche
erhielten sich Anklänge an die alte Verbindung Oesterreichs mit Deutsch-
land, man wnßte, daß österreichische Truppen im „Reiche" Garnison hal-
ten, und beneidete in militärischen Kreisen die Kameraden, die in Mainz
die Fleischtöpfe Aeghptens kennen lernten, im Uebrigen aber haben selbst die
Gebildeten von den Bnndespflichten Oesterreichs keine klare Borstellung
gewonnen und der Staatskanzlei alle Sorgen um die dentschen Angele-
genheiten überlassen.
Schon frühe, im October 1813, hatte Metternich seine Ansicht von