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Springer, Anton
Geschichte Österreichs seit dem Wiener Frieden 1809: in zwei Theilen (Band 1): Der Verfall des alten Reiches — Leipzig, 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.29905#0400
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IV. 2. Die orientalische Frage.

stand gestattete den Uebergang über die Donau und die Verpflanzung
des Kriegsschauplatzes in die Bulgarei erst zu einer Zeit, wo die
türkischen Truppen sich bereits gesammelt hatten und die Fieber und
Seuchen aller Art zahllose Opser zu sordern begannen. Und als der Feld-
zug endlich eröffnet war, stieß die russische Armee auf so große Schwierig-
keiten, errang sie verhältnißmäßig so geringe Erfolge, daß man zuletzt
nicht mehr für die Türkei, sondern für Rußland zu sürchten Ursache hatte.
Dieser ganz unverhofste Ausgang des ersten Feldzuges erzeugte in Wien
natürlich große Befriedigung. Jede Kunde von einer neuen Schlappe,
welche die Russen erlitten, begrüßte die Börse mit einer Steigerung der
Conrse, jede für Rußland ungünstige Nachricht wurde, ohne ihre Wahr-
heit streng zu prüfen, in den öffentlichen Blättern gern verbreitet und
die Niederlage des General Geismar, welche ihm von Widdin nach
Kalafat ausbrechende Türkenschaaren bereiteten, so sreudig aufgenommen,
als wenn es eine Siegesthat des eigenen Heeres gälte. Wichtiger noch
als die Unsälle der russischen Armee, war die rücksichtsvolle Art der
russischen Kriegführung, durch welche jede kräftige Action gehemmt und
die Furcht vor einer unmittelbaren Zerstörung der türkischen Macht be-
seitigt wurde. Noch vor dem Beginn des Kampfes gab das Petersburger
Cabinet bindende Versicherungen, daß es keine Eroberungen beabsichtige,
der Kriegsplan selbst wurde mit einem ängstlichen Seitenblicke aus das
argwöhnische Oesterreich und die nicht sorgenfreien Westmächte entworfen,
in demselben aus Kosten sogar des raschen Erfolges Allrs vermieden, was
das Mißtrauen des Nachbarstaates reizen konnte, und endlich auf dem
Kriegsschauplatze selbst dem militärischen Hanptguartiere ein diplomatisches
beigesellt, dessen Gegenwart allein schon erbitterte Kämpfe nicht wahr-
scheinlich machte, und welches auf Kaiser Nicolaus eiuen stärkeren und
nachhaltigeren Druck ausüben mußte, als vereinzelte und den Ereignissen
nachhinkende Depeschen und Noteu.

Anfangs November zogen sich die Russen, geschwächt und mißmuthig,
ohne den Baltan überstiegen, ohne Silistria erobert zu haben, auf das
liuke Donauufer zurück. Der Kampf ruhte während der Wintermonate,
um so eifriger arbeiteten die Diplomaten. War es dem Fürsten Metternich
nicht gelungen, den Ausbruch des Krieges zu verhindern, so suchte er
doch wenigstens mit allen Mitteln, die Dauer desselben abzukürzen und
alle bedenklichen Folgen abzuwehren. In seiner ängstlichen Besorgniß
über die russischen Herrschergelüste im Orient traf er jetzt mit der öfsent-
lichen Meinung besonders in England zusammen, wo das Jnteresse an
dem griechischen Kampfe in dem Maße abgenommen hatte, als es die
Cabinete beschäftigte, und nun vollends den reiflichen Erwägungen, welchen
Schaden der sortdauernde Krieg dem englischen Handel bringe, weichen
mußte. Dagegen verlor Oesterreich die unbedingte Unterstützung, die ihm
bisher das Berliner Cabinet gewährt hatte. Nachdem Rußland das
 
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