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Springer, Anton
Geschichte Österreichs seit dem Wiener Frieden 1809: in zwei Theilen (Band 1): Der Verfall des alten Reiches — Leipzig, 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.29905#0408
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Ztztz IV. 3. Die letztm Lebmsjahre des Kaiser Franz.

nähren, wurden sie gednldet; als aber bei dem Tode der evangelischerr
Erzherzogin Henriette iErzherzog Karls Gemahlin) die Partei der Jnto-
leranz es zum erstenmale wagte, einen selbständigen Willen zu äußern
und ihren Grnndsätzen gemäß mit den Begräbnißehren für die im Un-
glauben Verstorbene zögerte, wurde sie vom Kaiser Franz selbst schars
zurückgewiesen. Der Ultramontanismus fand, so lange Kaiser Franz lebte,
in Oesterreich keine heimische Stätte. Er war eben auch eine Neuerung,
sede Neuerung wnrde aber in den letzten Jahren seiner Regierung ängst-
licher als je gemieden. Unveränderlichkeit galt als das politische Jdeal.
Daß man an den bestehenden Zuständen auch ändere, wenn man vor
lauter Bewegungsfurcht nichts thut, daß Erstarrung und Verknöcherung
nicht ursprüngliche und natürliche Daseinsformen bilden, hatte bei Leb-
zeiten des Kaisers Niemand den Muth, offen auszusprechen, Niemand
die Kraft, dem langsamen Verfalle des Staatswesens entgegenzuarbeiten,
Niemand die Lust oder die Fähigkeit, im Rathe des Kaisers nicht etwa
für den Fortschritt, sondern nur für eine lebendige Thätigkeit das Wort
zu ergreifen. Durch die Ernennung des Grafen Kolowrat zum
dirigirenden Staatsminister sür die inneren Angelegenheiten (1826) an
Zichy's Stelle wnrde vielmehr Alles gethan, um die Unthätigkeit nnd die
Unbeweglichkeit noch länger andauern zu lassen.

Wenige Minister sind von der öffentlichen Meinung mit einem so
günstigen Vorurtheile betrachtet und unter so falscher Beleuchtung der
Nachwelt geschildert worden, als Graf Kolowrat. Er galt als grund-
sätzlicher Gegner Metternichs, als Vertreter verhältnißmäßig freierer An-
schauungen im Staatsrathe, als Freund des Bürgerthums und Gönner
der slawischen Volksstämme. Daß er keine einzige dieser Eigenschaften
hatte, auf den Namen eines Staatsmannes nicht den geringsten Anspruch
besaß, kümmerlich von heute aus morgen lebte und ohne die Beihilfe seiner
Secretäre nicht im Stande gewesen wäre, seine Stellung zu behaupten,
wußten Alle, welche dem Minister näher standen; sie hatten aber kein
Jnteresse, das von ihm in der Welt verbreitete Bild zn zerstören. Einem
uralten böhmischen Geschlechte entsprossen, srühzeitig schon in den Kanzlei-
dienst geworfen, der, in Kriegszeiten von Adelichen weniger gesucht, Hoch-
geborenen eine um so raschere Carriere versprach, leitete er eine Zeit lang
die Prager Polizei. Nach dem Abgange des Grafen Wallis wurde er
provisorisch mit der Leitung der Landesgeschäfte betraut, am 13. Aprik
1811 zum wirklichen Oberstburggrafen in Böhmen ernannt. Seine Wirk-
famkeit wußte das Land wenig zu rühmen, nicht in den Kriegszeiten allein,
wo freilich das „Feldkriegscommissariat" alle anderen Behörden in den
Hintergrund drängte, sondern auch in den folgenden schweren Nothjahren
und der späteren Friedensperiode. Die untergebenen Beamten klagten
über Kolowrats Arbeitsscheu, über seine Gleichgiltigkeit gegen alle sach-
lichen Jnteressen der Verwaltung, die engherzige Beschränkung seiner Theil-
 
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