Der Josephmismus in der Kirchenpolitik.
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zenden Hoffeste, kamn noch irgend eine Gelegenheit zu reicher Repräsen-
tation und zur Entfaltung amtlicher Würde. Das eingezogene Leben des
Hofes hatte eine allgemeine Vereinzelung zur Folge, oder was noch
schlimmer war, die Absonderung in einzelne Coterien, bei welchen der
gleiche Geburtsrang allein den Vereinigungspunkt bildete. Das eintönige
Dasein durch Theilnahme an den Freuden zu würzen, welche Wien aller-
dings noch in Hülle und Fülle bot, hatte auch seine Bedenken, da man
dann allzusehr von den am Hofe eingebürgerten Sitten abstach, welche,
immer streng, jetzt unter dem Einflnsse der Kaiserin auch noch ein ent-
schieden frommes Gepräge annahmen. Auf die Politik übte die Privat-
frömmigkeit des Hoses vorläufig keinen nnmittelbaren Einfluß. Kaiser
Franz hätte auch in seinen letzten Lebenstagen sich nicht gescheut, der
Kirche und dem Papste gegenüber seine volle Souveränetät zur Geltung
zu bringen. Er sühlte keine Gewissensbisse darüber, daß er unbekümmert
um die Einsprache der Curie die Napoleonischen Bischöfe in der Lom-
bardei bestätigt, die Wanderung der ernannten Bischöfe nach Nom zur
Prüsung und zur Consecration (1816) verboten, die Tapen der Einseg-
nungsbulle auf ein Viertheil zurückgesührt hatte. Jn den italienischen
Provinzen mußte der Papst den Forderungen des Kaisers in Bezug auf
das Ernennungsrecht der Bischöse nachgeben, oder wie es der vimio Ilomsno
(15. October 1817) nannte, ihm eiu Privilegium ertheilen; in den übrigen
Erbländern bedurfte es keines Privilegiums. Die Art und Weise, wie
Kaiser Franz 1824 das Prager Domcapitel, das als eeclesig millloim auf-
treten wollte, zu Paaren trieb, und srischweg den jüngsten Kanoniker auf
einen bischöflichen Stuhl setzte, belehrte die Welt vou seinem unverän-
derten Standpunkte in kirchlich-politischen Dingen. Auch die Schau-
stellung frommer Gestnnung bildete zum Fortkommen im bürgerlicheu
Leben uoch keincswegs ein uothwendiges Erforderniß. Jene überließ man
den Convertiten und den „überspannten Ausländern." Daß Pilat dem
Pater Rinn bei der Messe ministrirte, seine sechs Kinder demselben Pater,
wenn er zum Besuche kam, das Vaterunser aus den Knien hersagen
mußten, kitzelte den echten Ocsterreichern nur die Lachmuskeln. Jhrer naiven
Gläubigkeit erschien ein solches Paradespiel unbegrciflich. Ebenso standen
die 1820 in Oesterreich aufgenommenen Liguorianer, die 1827 zunächst
in Galizien wieder eingeführten Jesuiten dem allgemeinen Volksbewußtsein
noch ziemlich fremd gegenüber. Man muukelte allerlei von ihrer Gesähr-
lichkeit, man sürchtete ihre Zudringlichkeit in privaten Verhältnissen, sprach
von iHrem Einflusse bei dem einen oder anderen Gliede des Hofes, sie
selbst sanden den Boden noch nicht genug vorbereitet, um sich in die
Lffentlichen Angelegenheiten zu mischen und eine größere Bedeutung, als
ihnen die Furcht des Kaisers vor jeder geistigen Beweguug gestattete, in
Anspruch zu nehmen. Soweit sie sich willig zeigten, das herrschende Er-
ziehuugssystem zu unterstützen, und den gehorsamen Sinn im Volke zu
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zenden Hoffeste, kamn noch irgend eine Gelegenheit zu reicher Repräsen-
tation und zur Entfaltung amtlicher Würde. Das eingezogene Leben des
Hofes hatte eine allgemeine Vereinzelung zur Folge, oder was noch
schlimmer war, die Absonderung in einzelne Coterien, bei welchen der
gleiche Geburtsrang allein den Vereinigungspunkt bildete. Das eintönige
Dasein durch Theilnahme an den Freuden zu würzen, welche Wien aller-
dings noch in Hülle und Fülle bot, hatte auch seine Bedenken, da man
dann allzusehr von den am Hofe eingebürgerten Sitten abstach, welche,
immer streng, jetzt unter dem Einflnsse der Kaiserin auch noch ein ent-
schieden frommes Gepräge annahmen. Auf die Politik übte die Privat-
frömmigkeit des Hoses vorläufig keinen nnmittelbaren Einfluß. Kaiser
Franz hätte auch in seinen letzten Lebenstagen sich nicht gescheut, der
Kirche und dem Papste gegenüber seine volle Souveränetät zur Geltung
zu bringen. Er sühlte keine Gewissensbisse darüber, daß er unbekümmert
um die Einsprache der Curie die Napoleonischen Bischöfe in der Lom-
bardei bestätigt, die Wanderung der ernannten Bischöfe nach Nom zur
Prüsung und zur Consecration (1816) verboten, die Tapen der Einseg-
nungsbulle auf ein Viertheil zurückgesührt hatte. Jn den italienischen
Provinzen mußte der Papst den Forderungen des Kaisers in Bezug auf
das Ernennungsrecht der Bischöse nachgeben, oder wie es der vimio Ilomsno
(15. October 1817) nannte, ihm eiu Privilegium ertheilen; in den übrigen
Erbländern bedurfte es keines Privilegiums. Die Art und Weise, wie
Kaiser Franz 1824 das Prager Domcapitel, das als eeclesig millloim auf-
treten wollte, zu Paaren trieb, und srischweg den jüngsten Kanoniker auf
einen bischöflichen Stuhl setzte, belehrte die Welt vou seinem unverän-
derten Standpunkte in kirchlich-politischen Dingen. Auch die Schau-
stellung frommer Gestnnung bildete zum Fortkommen im bürgerlicheu
Leben uoch keincswegs ein uothwendiges Erforderniß. Jene überließ man
den Convertiten und den „überspannten Ausländern." Daß Pilat dem
Pater Rinn bei der Messe ministrirte, seine sechs Kinder demselben Pater,
wenn er zum Besuche kam, das Vaterunser aus den Knien hersagen
mußten, kitzelte den echten Ocsterreichern nur die Lachmuskeln. Jhrer naiven
Gläubigkeit erschien ein solches Paradespiel unbegrciflich. Ebenso standen
die 1820 in Oesterreich aufgenommenen Liguorianer, die 1827 zunächst
in Galizien wieder eingeführten Jesuiten dem allgemeinen Volksbewußtsein
noch ziemlich fremd gegenüber. Man muukelte allerlei von ihrer Gesähr-
lichkeit, man sürchtete ihre Zudringlichkeit in privaten Verhältnissen, sprach
von iHrem Einflusse bei dem einen oder anderen Gliede des Hofes, sie
selbst sanden den Boden noch nicht genug vorbereitet, um sich in die
Lffentlichen Angelegenheiten zu mischen und eine größere Bedeutung, als
ihnen die Furcht des Kaisers vor jeder geistigen Beweguug gestattete, in
Anspruch zu nehmen. Soweit sie sich willig zeigten, das herrschende Er-
ziehuugssystem zu unterstützen, und den gehorsamen Sinn im Volke zu