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III.

Raffael’s Teppichcartons.

Ho lange Raffael in den Diensten Julius’ II. stand, verlief sein
Leben in stiller, ssetiger Arbeit. Wie hätte er auch, erfüllt
von all den neuen Anschauungen, und Aufgaben gegenüber
gesleht, die seine ganze Kraft in Anspruch nahmen, selbsl
in einer tiefen künsslerischen Wandlung begriffen, die Musse
gefunden, reiche persönliche Beziehungen zu knüpfen und sich in buntem
Verkehr zu bewegen ? Und wenn er auch die Zeit und die Lust dazu
gewonnen hätte: während der Regierung des gewaltigen Julius war der
vaticanische Palast kein Mittelpunkt geistreicher, vornehmer Geselligkeit.
»E misero, a pocha spese,« heisst es in den venezianischen Berichten von
ihm. Die Kosten des päpstlichen Haushaltes durften fünfzehnhundert
Ducaten im Monate nicht übersteigen. Wie ganz anders glänzend gestaltet
sich das Leben am Hofe Leos X. Die vornehmen Verwandten, die

zierlichen Dichter, die heiteren Sänger und Musiker, die sprachkundigen
Gelehrten, gewandte Lebemänner aller Art sammelten sich im Vatican;
selbfl: die Geschäftsleute hielten es mit der Würde und dem Ernste ihres
Amtes verträglich, sich in die fröhliche Gesellschaft zu mischen und an
den mannigfachen Genüssen des Hofes theilzunehmen. Auch Raffael
wurde in diese Kreise gezogen und fühlte sich bald wohl und heimisch
in dem Verkehr mit der lebensfrohen, geistvollen Umgebung des Papstes.
Wir besitzen einen Brief von ihm, vom I. Juli 1514 an seinen Oheim
Simone Ciarla gerichtet, ein köstliches Zeugniss von seiner Selbstzufrieden-
heit und dem reinen Glücke, welches er athmet. Die Verwandten in Anm. 1.
Urbino hatten eine Frau mit einer, wie sie meinten, guten Mitgift sür
hn ausgesucht. Davon will aber Raffael nichts wissen. Er dankt viel-
mehr Gott dafür, dass er bisher ledig geblieben. An guten Partien
würde es ihm auch in Rom nicht fehlen. Ihm ist hier ein Mädchen

von gutem Ruf, stattlichem Vermögen angetragen worden, ja der Cardinal
Bibbiena will ihm sogar eine Verwandte zur Frau geben. Mit Seelen-
ruhe erwartet er den Ausgang aller dieser Verhandlungen. So wie er
 
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