TEPPICH DER KRÖNUNG MARLE.
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den Eindruck der ausgeführten Teppiche gründen. Selbst in unversehrtem
Zustande brachten sie in die Composition eine wesentliche Aenderung,
indem sie dieselbe von der Gegenseite Wiedergaben. Was in der Zeich-
nung rechts sleht, erscheint auf dem Gewebe links, und umgekehrt.
Wohl hat Raffael auf diese nothwendige Umstellung schon in den Ent-
würfen theilweise Rücksicht geübt, aber natürlich nicht hindern können,
dass dadurch die Einheit der Zeichnung wesentlich geschädigt wurde.
Nur die Originalzeichnungen selbst, die Cartons gestatten einen deutlichen
Einblick in die Absichten des Künstlers. Leider haben sich dieselben
nicht vollständig erhalten. Vier Cartons sind im Laufe der Jahrhunderte
spurlos verschwunden. Am meislen zu beklagen bleibt der Verlud: des
Cartons für den Teppich über dem Altäre: die Krönung Mariae; denn
hier hat Raffael osfenbar seine volle Kraft eingesetzt und, mit eigenen
früheren Werken wetteifernd, die höchsle Vollendung angestrebt. Bei
den drei anderen Teppichen, zu welchen die Cartons fehlen: die Steini-
gung Stephans, die Bekehrung Saul’s und Paulus im Kerker, möchte
man muthmassen, dass Raffael die Entwürfe seinen Schülern überliess;
so tief slehen sie unter den anderen Teppichen, von welchen wir noch
die Cartons besitzen. Oder bedingt nur der Umstand, dass wir sie allein
nach den Werken des ssandrischen Webers beurtheilen können, ihren
geringeren Werth ?
Der Teppich mit der Krönung Mariä ist ersl 1869 wieder auf-
gefunden worden. Ein französischer Künsller, Paliard, entdeckte ihn in
jenem Theile des Vaticans, welcher vom Papste bewohnt wird, in der
Stanza della predica dei famigliari. Bis dahin kannte man denselben
nur aus einem Kupferstiche des Meislers mit dem Würfel. Das Bild baut
sich in drei Abtheilungen auf. Oben in den Lüften schwebt Gott Vater,
von vier Cherubim umgeben, deren Köpfe unter seinen Armen hervor- Anm. i4.
kommen. Er hält in der Linken die Weltkugel und erhebt die Rechte
zum Segen. Auf erhöhtem Throne, von welchem zwei Engel die Vor-
hänge wegziehen, sitzen Christus, wie sein Vater im rothen Gewände,
und die Madonna. Mit gesenktem Haupte und gefalteten Händen empfängt
sie die Zinkenkrone, die Christus mit der Rechten empor hält, während
er die Linke mit dem Scepter auf den Oberschenkel slützt. Zu Füssen
des Thrones sind in der Mitte zwei Engel, die in einer Bandrolle lesen,
rechts und links aber der h. Hieronymus mit dem Löwen und der Täufer
mit dem Rohrkreuze aufgeslellt. Johannes, der gleichnamigen Gestalt auf
dem Bilde der Madonna di Foligno im Kopftypus, in Haltung und Be-
wegung nahe verwandt, blickt nach aussen und weist mit der Rechten
auf die Madonna. Hieronymus in der prächtigen rothen Cardinaistracht
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den Eindruck der ausgeführten Teppiche gründen. Selbst in unversehrtem
Zustande brachten sie in die Composition eine wesentliche Aenderung,
indem sie dieselbe von der Gegenseite Wiedergaben. Was in der Zeich-
nung rechts sleht, erscheint auf dem Gewebe links, und umgekehrt.
Wohl hat Raffael auf diese nothwendige Umstellung schon in den Ent-
würfen theilweise Rücksicht geübt, aber natürlich nicht hindern können,
dass dadurch die Einheit der Zeichnung wesentlich geschädigt wurde.
Nur die Originalzeichnungen selbst, die Cartons gestatten einen deutlichen
Einblick in die Absichten des Künstlers. Leider haben sich dieselben
nicht vollständig erhalten. Vier Cartons sind im Laufe der Jahrhunderte
spurlos verschwunden. Am meislen zu beklagen bleibt der Verlud: des
Cartons für den Teppich über dem Altäre: die Krönung Mariae; denn
hier hat Raffael osfenbar seine volle Kraft eingesetzt und, mit eigenen
früheren Werken wetteifernd, die höchsle Vollendung angestrebt. Bei
den drei anderen Teppichen, zu welchen die Cartons fehlen: die Steini-
gung Stephans, die Bekehrung Saul’s und Paulus im Kerker, möchte
man muthmassen, dass Raffael die Entwürfe seinen Schülern überliess;
so tief slehen sie unter den anderen Teppichen, von welchen wir noch
die Cartons besitzen. Oder bedingt nur der Umstand, dass wir sie allein
nach den Werken des ssandrischen Webers beurtheilen können, ihren
geringeren Werth ?
Der Teppich mit der Krönung Mariä ist ersl 1869 wieder auf-
gefunden worden. Ein französischer Künsller, Paliard, entdeckte ihn in
jenem Theile des Vaticans, welcher vom Papste bewohnt wird, in der
Stanza della predica dei famigliari. Bis dahin kannte man denselben
nur aus einem Kupferstiche des Meislers mit dem Würfel. Das Bild baut
sich in drei Abtheilungen auf. Oben in den Lüften schwebt Gott Vater,
von vier Cherubim umgeben, deren Köpfe unter seinen Armen hervor- Anm. i4.
kommen. Er hält in der Linken die Weltkugel und erhebt die Rechte
zum Segen. Auf erhöhtem Throne, von welchem zwei Engel die Vor-
hänge wegziehen, sitzen Christus, wie sein Vater im rothen Gewände,
und die Madonna. Mit gesenktem Haupte und gefalteten Händen empfängt
sie die Zinkenkrone, die Christus mit der Rechten empor hält, während
er die Linke mit dem Scepter auf den Oberschenkel slützt. Zu Füssen
des Thrones sind in der Mitte zwei Engel, die in einer Bandrolle lesen,
rechts und links aber der h. Hieronymus mit dem Löwen und der Täufer
mit dem Rohrkreuze aufgeslellt. Johannes, der gleichnamigen Gestalt auf
dem Bilde der Madonna di Foligno im Kopftypus, in Haltung und Be-
wegung nahe verwandt, blickt nach aussen und weist mit der Rechten
auf die Madonna. Hieronymus in der prächtigen rothen Cardinaistracht