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i. GRABFORMEN UND BESTATTUNGSSITTEN
DIE NORDISCHEN RIESEN STEIN GRÄBER
Die eindrucksvollsten Denkmäler des nordischen Kreises während der jüngeren
Steinzeit bilden die Riesensteingräber. Ihre Verbreitung (Karte 4) gibt eine klare An-
schauung von der umfassenden Größe dieses Kulturgebietes, und mit Recht haben die
Riesensteingräber den sehr gebräuchlichen Namen Megalithkultur als Bezeichnung
für die Kultur des nordischen Kreises abgegeben.
Obwohl bei Einsichtigen das Wesen der Riesensteingräber wohl immer richtig
erkannt worden ist, hat sich doch zu allen Zeiten Sage und Aberglaube um diese
Denkmäler gerankt. Man hat ihre rätselhafte Errichtung einem untergegangenen
Geschlecht mächtiger Riesen zugeschrieben und die ihres schützenden Erdmantels
beraubten Totenhäuser als heidnische Opferaltäre gedeutet. Als Thingplätze erschie-
nen sie den einen, und die Wohnungen geheimnisvoller Zwerge erblickten die anderen
in ihnen. Als Stätten verwerflichen heidnischen Aberglaubens wurden sie anfangs
von der Kirche verfemt, bis eine tiefere Erkenntnis ihnen wiederum die natürliche
Ehrfurcht verschaffte, die den stolzen Gräbern der eigenen Ahnen gegenüber geboten
war. Trotzdem wird Sage, Aberglaube und Fantasie immer wieder an diesen einzig-
artigen Denkmälern haften bleiben und neue Ranken wuchern lassen, denn dies ist
im Wesen der menschlichen Natur begründet, die sich vielfach mit der nüchternen
Erkenntnis einer unbestechlichen Wissenschaft nicht zufrieden geben kann.
Der auch heute noch vorhandene Reichtum dieser Gräber auf deutschem Boden
läßt ihre Entwicklung deutlich verfolgen. Von ausschlaggebender Bedeutung ist
dabei vornehmlich der Grundriß des Grabraumes. Alle anderen Erscheinungen,
wie die Zahl der Decksteine, das Vorhandensein eines mit Steinen eingefaßten Ein-
gangs, Art und Form des Hügels, in dem das Grab liegt, sowie das Fehlen oder Vor-
handensein eines Steinkranzes und dessen Gestalt ist dagegen von untergeordnetem
Range.
Die Riesensteingräber gehören gemäß ihrer Form und nach ihrem Inhalt drei
Hauptgruppen an, die man als Dolmen (dänisch Dysse, schwedisch Dös), Ganggräber
(dänisch Jaettestue, schwedisch Gänggrift) und Steinkisten bezeichnet. Die Dolmen
sind die ältesten unter ihnen, und schon bei diesen kann man eine längere Entwicklung
klar verfolgen. Den Anfang in der langen Reihe der Riesensteingräber bildet ein ein-
facher Bau in Form einer Blockkiste oder einesSteinsarges (Taf.3,2.3). Seine lichte
Weite besitzt bei einer Länge von etwa 2 m eine Breite von nur wenig mehr als einem
halben Meter. Und auch die Höhe überschreitet dieses Maß kaum. Die Grabanlage
bietet also gerade nur Platz für die Bestattung einer Leiche. Gebrannter Feuerstein
in einer Dicke von 5—30 cm bildet den Bodenbelag dieses Steinsarges. Nur vier
Steine von gleicher Höhe sind zum Bau der kleinen Kammer benutzt worden, zwei
lange links und rechts des Toten und je ein schmaler am Kopf- und Fußende (Abb. 1).
Nur ausnahmsweise ersetzte man den langen Steinblock auf einer Langseite durch
zwei kurze (Abb. 3) oder stellte die Längsseiten überhaupt aus je zwei Steinen her. In
1*
 
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