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i. Grabformen und Bestattungssitten
Querwand von dem Hauptraum des Grabes abgeschlossen war. Ein großes kreis-
rundes Loch, Seelenloch genannt, das man aus diesem Trennungsstein sauber heraus-
gehauen hatte, ermöglichte in der Steinkiste von Züschen bei Fritzlar allein den Zu-
gang zum Hauptraum (Abb. 77 u. Taf. 16,1). Vereinzelt erfolgte der Zutritt von der
Mitte einer Langseite her durch einen kurzen Gang nach Art der emsländischen
Riesensteingräber, von denen man diese Sitte wohl abgesehen haben dürfte (Abb. 74).
Auch bei dieser Form kommt es vor, daß der Eintritt in die Kammer durch ein
Seelenloch erfolgt (Abb. 75). Die großen Steinkisten sind ebenso wie die Riesen-
steingräber in einem Zuge erbaut. Ihre Orientierung geht im allgemeinen von Osten
nach Westen. Nord-Südlage bildet eine Ausnahme.
Die großen westeuropäischen Steinkisten sind am häufigsten in Westfalen an-
zutreffen, wo sie vornehmlich im oberen Lippegebiet — insbesondere südlich des
Flusses — durch ihre Häufigkeit auf eine ziemlich dichte Besiedlung schließen lassen.
An die westfälischen Steinkisten schließen sich die hessischen an, die bis in die Kas-
seler Gegend vorstoßen und deren Ausläufer bis nach Gotha in Thüringen hinein-
reichen. Unter den mitteldeutschen Steinkisten sind solche mit Seelenloch besonders
zahlreich vertreten ’). Nach Nordosten sind die westeuropäischen Steinkisten über die
Weser — bei Rinteln scheint eine solche Kiste erst jüngst zerstört zu sein — bis in die
Hildesheimer Landschaft vorgedrungen, wo man bei Heyersum im Kreise Gronau
die Reste einer solchen Anlage ausgegraben hat. Auch innerhalb der nordischen
Riesensteingräber des Emslandes finden sich vereinzelt westeuropäische Steinkisten,
so bei Mundersum im Kreise Lingen, oder große tief eingesenkte Kammern ohne
Steinkranz, die augenscheinlich dem Einfluß der westeuropäischen Megalithkultur
ihre Entstehung verdanken, wie die Schlingsteine bei Lindem in Oldenburg (Taf.11,1).
Eine ganz besondere Stellung unter den großen Steinkisten nimmt die größere
Kammer von Züschen mit ihren Zeichnungen ein. Einige ihrer Wandsteine zeigen
einfache Tannenzweigmuster oder Figuren, die durch eine Picktechnik hergestellt
sind (Taf. 16, 2). Die Darstellungen geben offenbar schematisierte Tierfiguren wieder,
von denen häufiger je zwei, durch ein Joch verbunden, einen zweirädrigen Karren zu
ziehen scheinen.
Die großen westeuropäischen Steinkisten besitzen in Deutschland kein einheit-
liches Verbreitungsgebiet; dies rührt daher, daß sie auf deutschem Boden nur letzte
Ausläufer darstellen, die gewissermaßen noch die Stellen angeben, an denen die west-
europäische Megalithkultur in Deutschland eingedrungen ist. Dies geschah offenbar
an drei Punkten: am Niederrhein, am Mittelrhein und am Oberrhein, also an den drei
natürlichen Einfallstoren, die Deutschlands Grenzen westlichen Eindringlingen
bieten. Der nördliche Zweig der westeuropäischen Megalithkultur hat den stärksten
Niederschlag hinterlassen. Es ist die westfälische Gruppe, die vermutlich über Belgien
und den Niederrhein eingedrungen ist und ihre Fühler bis ins Leinetal bei Hildesheim
und zu den Quellflüssen der Weser in die Kasseler Gegend vorgestreckt hat.
Der am Mittelrhein eindringende Zweig ist mit seinen spärlichen Gräbern von
Neuwied, Muschenheim, Kr. Gießen, und Lohra, halbwegs zwischen Gießen und
Marburg, weniger gut faßbar. Vielleicht bilden aber auch die vielen in Hessen vor-
J) Steinkisten mit Seelenloch sind bekannt
Kr. Wolfhagen; Gotha; Hardehausen b. Rimbeck,
bom; Lohra, Kr. Marburg; Niederschwörstadt, A.
von: Allstedt, Kr. Weimar; Altendorf,
Kr. Warburg; Kirchborchen, Kr. Pader-
Säckingen; Oberfarnstedt, Kr. Querfurt;
Wettin b. Halle; Ziegelroda, Kr. Querfurt; Züschen b. Fritzlar (2 St.).
i. Grabformen und Bestattungssitten
Querwand von dem Hauptraum des Grabes abgeschlossen war. Ein großes kreis-
rundes Loch, Seelenloch genannt, das man aus diesem Trennungsstein sauber heraus-
gehauen hatte, ermöglichte in der Steinkiste von Züschen bei Fritzlar allein den Zu-
gang zum Hauptraum (Abb. 77 u. Taf. 16,1). Vereinzelt erfolgte der Zutritt von der
Mitte einer Langseite her durch einen kurzen Gang nach Art der emsländischen
Riesensteingräber, von denen man diese Sitte wohl abgesehen haben dürfte (Abb. 74).
Auch bei dieser Form kommt es vor, daß der Eintritt in die Kammer durch ein
Seelenloch erfolgt (Abb. 75). Die großen Steinkisten sind ebenso wie die Riesen-
steingräber in einem Zuge erbaut. Ihre Orientierung geht im allgemeinen von Osten
nach Westen. Nord-Südlage bildet eine Ausnahme.
Die großen westeuropäischen Steinkisten sind am häufigsten in Westfalen an-
zutreffen, wo sie vornehmlich im oberen Lippegebiet — insbesondere südlich des
Flusses — durch ihre Häufigkeit auf eine ziemlich dichte Besiedlung schließen lassen.
An die westfälischen Steinkisten schließen sich die hessischen an, die bis in die Kas-
seler Gegend vorstoßen und deren Ausläufer bis nach Gotha in Thüringen hinein-
reichen. Unter den mitteldeutschen Steinkisten sind solche mit Seelenloch besonders
zahlreich vertreten ’). Nach Nordosten sind die westeuropäischen Steinkisten über die
Weser — bei Rinteln scheint eine solche Kiste erst jüngst zerstört zu sein — bis in die
Hildesheimer Landschaft vorgedrungen, wo man bei Heyersum im Kreise Gronau
die Reste einer solchen Anlage ausgegraben hat. Auch innerhalb der nordischen
Riesensteingräber des Emslandes finden sich vereinzelt westeuropäische Steinkisten,
so bei Mundersum im Kreise Lingen, oder große tief eingesenkte Kammern ohne
Steinkranz, die augenscheinlich dem Einfluß der westeuropäischen Megalithkultur
ihre Entstehung verdanken, wie die Schlingsteine bei Lindem in Oldenburg (Taf.11,1).
Eine ganz besondere Stellung unter den großen Steinkisten nimmt die größere
Kammer von Züschen mit ihren Zeichnungen ein. Einige ihrer Wandsteine zeigen
einfache Tannenzweigmuster oder Figuren, die durch eine Picktechnik hergestellt
sind (Taf. 16, 2). Die Darstellungen geben offenbar schematisierte Tierfiguren wieder,
von denen häufiger je zwei, durch ein Joch verbunden, einen zweirädrigen Karren zu
ziehen scheinen.
Die großen westeuropäischen Steinkisten besitzen in Deutschland kein einheit-
liches Verbreitungsgebiet; dies rührt daher, daß sie auf deutschem Boden nur letzte
Ausläufer darstellen, die gewissermaßen noch die Stellen angeben, an denen die west-
europäische Megalithkultur in Deutschland eingedrungen ist. Dies geschah offenbar
an drei Punkten: am Niederrhein, am Mittelrhein und am Oberrhein, also an den drei
natürlichen Einfallstoren, die Deutschlands Grenzen westlichen Eindringlingen
bieten. Der nördliche Zweig der westeuropäischen Megalithkultur hat den stärksten
Niederschlag hinterlassen. Es ist die westfälische Gruppe, die vermutlich über Belgien
und den Niederrhein eingedrungen ist und ihre Fühler bis ins Leinetal bei Hildesheim
und zu den Quellflüssen der Weser in die Kasseler Gegend vorgestreckt hat.
Der am Mittelrhein eindringende Zweig ist mit seinen spärlichen Gräbern von
Neuwied, Muschenheim, Kr. Gießen, und Lohra, halbwegs zwischen Gießen und
Marburg, weniger gut faßbar. Vielleicht bilden aber auch die vielen in Hessen vor-
J) Steinkisten mit Seelenloch sind bekannt
Kr. Wolfhagen; Gotha; Hardehausen b. Rimbeck,
bom; Lohra, Kr. Marburg; Niederschwörstadt, A.
von: Allstedt, Kr. Weimar; Altendorf,
Kr. Warburg; Kirchborchen, Kr. Pader-
Säckingen; Oberfarnstedt, Kr. Querfurt;
Wettin b. Halle; Ziegelroda, Kr. Querfurt; Züschen b. Fritzlar (2 St.).