O motywie niszy
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Die „Wiedergeburt” der Nische in ihrer vollen Gestalt und dem damit verbundenen Inhalt
wird erst auf das zweite Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts in Florenz datiert (111. 1). Vom richtigen
Verstandnis der Bedeutung dieses Motivs kónnen am besten die zahlreichen in dieser Zeit ent-
standenen Bilder zeugen, auf denen die konchoidale Nische ein Mittel - wenn auch nicht das
einzige - der Betonung der in ihr lokalisierten oder auf ihrem Hintergrund sitzenden Gestalten
ist (hauptsachlich Darstellungen „thronender Madonnen”, 111. 3). Der ganze Zeitraum des Quat-
trocento zeichnet sich durch eine gewisse Stabilitat bei der Anwendung des Motivs der Nische
aus, ahnlich wie noch im 16. Jahrhundert das Verstandnis des Motivs der Muschel selbst lebendig
ist (es wird ófters in den Dekorationen der Gewólbe, besonders der Pendentifs - 111. 8 sowie
in den Projekten von Grabstatten verwendet - Michelangelo).
Das Streben nach Innovationen, das in diesem und im darauffolgenden Jahrhundert auftrat,
fand sein Echo in der Behandlung der Nische. Die Architekten des 16. Jahrhunderts versuchen
sie mit der ihrem Charakter entgegengessetzten Funktion der Saule zu verbinden (Raphael, Vasari
- 111. 9) und verliehen ihr das Mai der Zweideutigkeit, oder aber sie behandelten sie, indem sie
ihr die Statuę nahmen, losgelóst von ihrer grundlegenden Funktion der Umgebung und Einfas-
sung der Statuę - ais reinen Licht-Schatten-Effekt (Rom - Villa Medici). Im Ergebnis dessen wur-
de die Nische nach der Mitte des 16. Jahrhunderts immer ófter durch die Edikula selbst oder
eine rechtwinklige Vertiefung in klassischer Umrahmung ersetzt. Diesen Prozess begann Miche-
langelo mit den Grabstatten der beiden grossen Mediceer, sichtbar wird er auch in Palladi’s Schaf-
fen, sowohl in der Theorie (Rekonstruktionen antiker Tempel im 4. Buch des Traktats) ais auch
in der Praxis dieses Architekten (Kirche in Maser). Weitergefiihrt wird er auch im Schaffen der
Architekten des Friihbarock (Fassade der Kirche 11 Gesu) und vertieft in der Reifephase des ró-
mischen Barock um die Mitte des 17. Jahrhunderts, ais die Nische fast ganz aus den Kirchenfas-
saden verschwand (111. 14).
Das Ende des Jahrhunderts und die erste Halfte des darauffolgenden sind charakterisiert
durch eine Riickkehr zu einigen „leichten” Formen des Quattrocento (System von Saulenarka-
den), womit wohl auch die erneute Zunahme des Interesses an der Nische selbst in Zusammen-
hang gebracht werden muss, dereń schmuckende, „weiche” Form gut mit den fliessenden Gestal-
ten der reichen Spatbarockfassaden harmonierte. In diesem Zeitraum tritt die Nische manchmal
sogar ais das hauptsachliche Kompositionselement der ganzen Fassade auf, sowohl mit Figur
(Kirche in Berg an Laim) ais auch ohne (Kirche S. Maria Maddalena in Rom), ankntipfend an
die Konzeptionen der Borromini-Fassaden (Philippiner-Oratorium in Rom), oder ais Form ihrer
Krónung (Yisitinnen-Kirche in Warschau).
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Die „Wiedergeburt” der Nische in ihrer vollen Gestalt und dem damit verbundenen Inhalt
wird erst auf das zweite Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts in Florenz datiert (111. 1). Vom richtigen
Verstandnis der Bedeutung dieses Motivs kónnen am besten die zahlreichen in dieser Zeit ent-
standenen Bilder zeugen, auf denen die konchoidale Nische ein Mittel - wenn auch nicht das
einzige - der Betonung der in ihr lokalisierten oder auf ihrem Hintergrund sitzenden Gestalten
ist (hauptsachlich Darstellungen „thronender Madonnen”, 111. 3). Der ganze Zeitraum des Quat-
trocento zeichnet sich durch eine gewisse Stabilitat bei der Anwendung des Motivs der Nische
aus, ahnlich wie noch im 16. Jahrhundert das Verstandnis des Motivs der Muschel selbst lebendig
ist (es wird ófters in den Dekorationen der Gewólbe, besonders der Pendentifs - 111. 8 sowie
in den Projekten von Grabstatten verwendet - Michelangelo).
Das Streben nach Innovationen, das in diesem und im darauffolgenden Jahrhundert auftrat,
fand sein Echo in der Behandlung der Nische. Die Architekten des 16. Jahrhunderts versuchen
sie mit der ihrem Charakter entgegengessetzten Funktion der Saule zu verbinden (Raphael, Vasari
- 111. 9) und verliehen ihr das Mai der Zweideutigkeit, oder aber sie behandelten sie, indem sie
ihr die Statuę nahmen, losgelóst von ihrer grundlegenden Funktion der Umgebung und Einfas-
sung der Statuę - ais reinen Licht-Schatten-Effekt (Rom - Villa Medici). Im Ergebnis dessen wur-
de die Nische nach der Mitte des 16. Jahrhunderts immer ófter durch die Edikula selbst oder
eine rechtwinklige Vertiefung in klassischer Umrahmung ersetzt. Diesen Prozess begann Miche-
langelo mit den Grabstatten der beiden grossen Mediceer, sichtbar wird er auch in Palladi’s Schaf-
fen, sowohl in der Theorie (Rekonstruktionen antiker Tempel im 4. Buch des Traktats) ais auch
in der Praxis dieses Architekten (Kirche in Maser). Weitergefiihrt wird er auch im Schaffen der
Architekten des Friihbarock (Fassade der Kirche 11 Gesu) und vertieft in der Reifephase des ró-
mischen Barock um die Mitte des 17. Jahrhunderts, ais die Nische fast ganz aus den Kirchenfas-
saden verschwand (111. 14).
Das Ende des Jahrhunderts und die erste Halfte des darauffolgenden sind charakterisiert
durch eine Riickkehr zu einigen „leichten” Formen des Quattrocento (System von Saulenarka-
den), womit wohl auch die erneute Zunahme des Interesses an der Nische selbst in Zusammen-
hang gebracht werden muss, dereń schmuckende, „weiche” Form gut mit den fliessenden Gestal-
ten der reichen Spatbarockfassaden harmonierte. In diesem Zeitraum tritt die Nische manchmal
sogar ais das hauptsachliche Kompositionselement der ganzen Fassade auf, sowohl mit Figur
(Kirche in Berg an Laim) ais auch ohne (Kirche S. Maria Maddalena in Rom), ankntipfend an
die Konzeptionen der Borromini-Fassaden (Philippiner-Oratorium in Rom), oder ais Form ihrer
Krónung (Yisitinnen-Kirche in Warschau).