2
Einleitung
Iffland es damals konnte) fast grotesk anmutenden Versuche,
aus Zacharias Werner einen brauchbaren Bühnenpoeten, ja gar
etwas wie einen königlich preußischen Hoftheaterdichter zu
machen,1 und, als diese Experimente ganz fruchtlos verlaufen,
bei einem weiteren, statt seiner seinen Antipoden Müllner zum
inoffiziellen Staatsdramatiker zu stempeln. 2 Nach Ifflands Tode
hat die Berliner Hofbühne dann den langgesuchten Mann ge-
funden, jenen nie um Themata oder Verse verlegenen Praktikus,
der sich und sein Talent dabei doch nicht in so leichtfertig-
schamloser Weise preisgab wie der um jene Zeit schon ermordete
Kotzebue.
Dieser Mann war Ernst Raupach, der, seit er im Herbst
1820 zum ersten Male da zu Worte kam, über zwei volle Jahr-
zehnte die Berliner, wie überhaupt die deutsche Bühne mit höheren
Dramen versah: Dramen, die eben nur gerade insoweit „höher"
waren, als sie stofflich wenigstens scheinbar auf Sensation ver-
zichteten und formal meistens sich eines so glatten wie platten
Blankverses, nicht mehr der Prosa bedienten.
Raupachs Wirkung war am stärksten in Berlin und ward
desto schwächer, je weiter man nach dem Süden ging: nach
Wien kamen nur einige Stücke, von diesen allerdings hielt sich
gerade dort, wo er sonst nie so recht heimisch geworden, eines
bis auf den heutigen Tag, der „Müller und sein Kind".
Zu denen nun, die wie Raupach in jenen Jahren des Suchens
nach dem neuen Dramatiker sich als Anwärter meldeten, gehört
auch der Badenser Joseph von Auffenberg. Er ist geradezu
sein süddeutsches Gegenstück. Wie jener hauptsächlich, aber
nicht ausschließlich im Norden, so hat Auffenberg meistens, aber
nicht allein im Süden Glück und Erfolg gehabt: teils, weil jeder
die Neigungen seiner engeren Landsleute besonders gut kennen
mochte, aber mehr doch wohl, weil sie im eigenen Bezirke die
besseren Konnexionen hatten. Daß Auffenberg im Norden nie
sehr fest Fuß gefaßt, hat noch einen anderen Grund: als er seine
ersten, nicht mehr lokal-karlsruherischen Erfolge errang, saß
Raupach in Berlin bereits allzufest, um einen so gefährlichen
1 Jacob Minor, die Schicksalstragödie in ihren Hauptvertretern. 1883.
S. 23 ff.
2 Minor, a. a. 0. S. 130f.
Einleitung
Iffland es damals konnte) fast grotesk anmutenden Versuche,
aus Zacharias Werner einen brauchbaren Bühnenpoeten, ja gar
etwas wie einen königlich preußischen Hoftheaterdichter zu
machen,1 und, als diese Experimente ganz fruchtlos verlaufen,
bei einem weiteren, statt seiner seinen Antipoden Müllner zum
inoffiziellen Staatsdramatiker zu stempeln. 2 Nach Ifflands Tode
hat die Berliner Hofbühne dann den langgesuchten Mann ge-
funden, jenen nie um Themata oder Verse verlegenen Praktikus,
der sich und sein Talent dabei doch nicht in so leichtfertig-
schamloser Weise preisgab wie der um jene Zeit schon ermordete
Kotzebue.
Dieser Mann war Ernst Raupach, der, seit er im Herbst
1820 zum ersten Male da zu Worte kam, über zwei volle Jahr-
zehnte die Berliner, wie überhaupt die deutsche Bühne mit höheren
Dramen versah: Dramen, die eben nur gerade insoweit „höher"
waren, als sie stofflich wenigstens scheinbar auf Sensation ver-
zichteten und formal meistens sich eines so glatten wie platten
Blankverses, nicht mehr der Prosa bedienten.
Raupachs Wirkung war am stärksten in Berlin und ward
desto schwächer, je weiter man nach dem Süden ging: nach
Wien kamen nur einige Stücke, von diesen allerdings hielt sich
gerade dort, wo er sonst nie so recht heimisch geworden, eines
bis auf den heutigen Tag, der „Müller und sein Kind".
Zu denen nun, die wie Raupach in jenen Jahren des Suchens
nach dem neuen Dramatiker sich als Anwärter meldeten, gehört
auch der Badenser Joseph von Auffenberg. Er ist geradezu
sein süddeutsches Gegenstück. Wie jener hauptsächlich, aber
nicht ausschließlich im Norden, so hat Auffenberg meistens, aber
nicht allein im Süden Glück und Erfolg gehabt: teils, weil jeder
die Neigungen seiner engeren Landsleute besonders gut kennen
mochte, aber mehr doch wohl, weil sie im eigenen Bezirke die
besseren Konnexionen hatten. Daß Auffenberg im Norden nie
sehr fest Fuß gefaßt, hat noch einen anderen Grund: als er seine
ersten, nicht mehr lokal-karlsruherischen Erfolge errang, saß
Raupach in Berlin bereits allzufest, um einen so gefährlichen
1 Jacob Minor, die Schicksalstragödie in ihren Hauptvertretern. 1883.
S. 23 ff.
2 Minor, a. a. 0. S. 130f.