30 Die Dramen
Schwarzwälder Bauernbub, als der er geboren ist (meinetwegen
mit ein paar blauen Tropfen im Blut), und der Schwärmer für
eine sentimental-phantastische Dichtungs- und Lebensweise, zu
dem er sich mit den Jahren durchgelesen hat. Als Mensch macht
er all' den kleinstädtisch-philiströsen Rummel mit, den sein Karls-
ruhe damals bot: er tanzt auf den Museumsbällen mit den Bürgers-
töchterlein, „knobelt" am Spieltisch mit ihren Vätern und kneipt
im Wirtshaus mit ihren Brüdern. Als Dichter holt er die bun-
testen Fetzen vor, um seine Muse zu kostümieren: wo er nicht,
wie in seinen Liedern, in einer vorübergehenden menschlichen
Anwandlung gelegentlich frisch, keck und verliebt, wie andere
Sterbliche, darauf losdichtet. Und umgekehrt trägt dieser phan-
tastisch verputzte Spießbürger wohl gelegentlich einmal die Ro-
mantik für eine Episode auch in sein wirkliches Leben hinein.
So stoßen bei ihm zwei unvereinbar-vereinte Elemente zu-
sammen, ohne sich ineinander aufzulösen. Wir müssen den einen
Auffenberg, den Markgräfler in Hemdärmeln, nun verlassen.
Auffenberg der Dramatiker ist Auffenberg der Freund der bunten
Maskenfetzen.
Die Dramen.
Eine Wiener „Hamlets-Aufführung hatte in Auffenberg, der
bis dahin kaum ein gutes Theater besucht haben mochte, die
Begeisterung zu eigener Produktion geweckt. Die praktische
Frucht seines eben erwachten Enthusiasmus für die Literatur der
Bühne, in dem doch auch ein gut Teil Shakespeare-Enthusiasmus
enthalten sein mußte, war merkwürdig genug: eine halbe Woche,
nachdem er sich an „Hamlet" berauscht, hat Auffenberg — einen
„Pizarro" (1817) fertig. In der Wahl seines Sujets macht er also
gleich gar nicht den Versuch, sich über die federfertigsten Bühnen-
lieferanten seiner Zeit zu erheben: das Thema, welches Kotzebue1
vor etlichen Jahrzehnten, Soden 2 erst vor wenigen Jahren und
so und so viele andere seit einem halben Säkulum in Mono-,
Duo-, Melodramen verarbeitet, war auch ihm nicht zu schlecht.
In der formalen Gestaltung allerdings ist er bereits in seinem
1 „Die Sonnenjungfrau." 1789. „Die Spanier in Peru oder Rollas
Tod." 1795.
2 „Pizarro" in Theater, Bd. II. 1815.
Schwarzwälder Bauernbub, als der er geboren ist (meinetwegen
mit ein paar blauen Tropfen im Blut), und der Schwärmer für
eine sentimental-phantastische Dichtungs- und Lebensweise, zu
dem er sich mit den Jahren durchgelesen hat. Als Mensch macht
er all' den kleinstädtisch-philiströsen Rummel mit, den sein Karls-
ruhe damals bot: er tanzt auf den Museumsbällen mit den Bürgers-
töchterlein, „knobelt" am Spieltisch mit ihren Vätern und kneipt
im Wirtshaus mit ihren Brüdern. Als Dichter holt er die bun-
testen Fetzen vor, um seine Muse zu kostümieren: wo er nicht,
wie in seinen Liedern, in einer vorübergehenden menschlichen
Anwandlung gelegentlich frisch, keck und verliebt, wie andere
Sterbliche, darauf losdichtet. Und umgekehrt trägt dieser phan-
tastisch verputzte Spießbürger wohl gelegentlich einmal die Ro-
mantik für eine Episode auch in sein wirkliches Leben hinein.
So stoßen bei ihm zwei unvereinbar-vereinte Elemente zu-
sammen, ohne sich ineinander aufzulösen. Wir müssen den einen
Auffenberg, den Markgräfler in Hemdärmeln, nun verlassen.
Auffenberg der Dramatiker ist Auffenberg der Freund der bunten
Maskenfetzen.
Die Dramen.
Eine Wiener „Hamlets-Aufführung hatte in Auffenberg, der
bis dahin kaum ein gutes Theater besucht haben mochte, die
Begeisterung zu eigener Produktion geweckt. Die praktische
Frucht seines eben erwachten Enthusiasmus für die Literatur der
Bühne, in dem doch auch ein gut Teil Shakespeare-Enthusiasmus
enthalten sein mußte, war merkwürdig genug: eine halbe Woche,
nachdem er sich an „Hamlet" berauscht, hat Auffenberg — einen
„Pizarro" (1817) fertig. In der Wahl seines Sujets macht er also
gleich gar nicht den Versuch, sich über die federfertigsten Bühnen-
lieferanten seiner Zeit zu erheben: das Thema, welches Kotzebue1
vor etlichen Jahrzehnten, Soden 2 erst vor wenigen Jahren und
so und so viele andere seit einem halben Säkulum in Mono-,
Duo-, Melodramen verarbeitet, war auch ihm nicht zu schlecht.
In der formalen Gestaltung allerdings ist er bereits in seinem
1 „Die Sonnenjungfrau." 1789. „Die Spanier in Peru oder Rollas
Tod." 1795.
2 „Pizarro" in Theater, Bd. II. 1815.