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Viertes Kapitel.
thum in die Gegenwart so mächtig herein, bildet einen so integriren-
den Theil der Physiognomie der Stadt, daß auch der Gleichgültigste
sein Auge nicht dagegen verschließen kann. Hier treten uns in ihren
Schwerpunkten auseinanderliegende Zeiten und Seiten der römischen
Cultur entgegen, und zugleich sind diese mit der Erscheinung von zwei
sehr verschiedenen Epochen der christlichen Welt auf das Merkwürdigste
verwachsen.
Sprechen wir es gleich von vornherein scharf in einigen Worten
aus. Arles hat als römische Handelsstadt, seit dem Sinken Massilia's
zu Casars Zeit, eine immer steigende Bedeutung gewonnen, es ist mehr
und mehr aus der provinziellen Stellung herausgetreten und hat seine
glänzendsten Tage als eine Welt- und Hauptstadt im römischen Reiche
erst seit Gallienus, besonders seit Constantius, dem Vater Constantins
gesehen; es ist dann ein Bollwerk der römischen Herrschaft im Westen
gegen die Gallien überschwemmenden germanischen Stämme geblieben,
bis es endlich fast gleichzeitig mit Rom erlag. Also die letzte Periode
der römischen Welt, in der bereits das Christcnthum als anerkannte
Macht neben den antiken Anschauungen und Sitten auftritt, haben wir
hier vor allem zu suchen.
Es war aber natürlich, daß auch in der neuen Ordnung der Dinge
der germanischen Staaten, bei der nach der See hin doch geschütz-
ten Lage der Stadt, die Tradition dieser alten, schon christlichen Glanz-
zeit fortwirkte. Und so hat sich hier in der That seit der Mitte des
9. Jahrhunderts enger als anderswo an dieselbe die neuere kirchliche
und politische Bildung angeschloffen: der erzbifchöfliche Stuhl machte
die Ansprüche des gallischen Primates, einer apostolischen Kirche, von
Neuem recht geltend, und Arles sah sich noch einmal als Königsstadt,
bald wenigstens als Krönungsstadt in die vordere Reihe der Städte des
römischen Reiches deutscher Nation gestellt. Dieß hatte die Exemtion
von der gräflichen Gewalt befördert und in Arles ein municipales Le-
ben, wie in den italienischen Republiken, entwickelt, dessen erste recht-
liche Fixirung in der Charta Cousulatus vom I. 1142 unter dem Bei-
rath des Erzbischofs zu Stande kam. Aber das Haus, welches den
letzten Träger der Idee jenes christlichen Universalreichs in Italien auf
das Schaffet brachte, konnte, in den Besitz der Provence getreten, auch
Viertes Kapitel.
thum in die Gegenwart so mächtig herein, bildet einen so integriren-
den Theil der Physiognomie der Stadt, daß auch der Gleichgültigste
sein Auge nicht dagegen verschließen kann. Hier treten uns in ihren
Schwerpunkten auseinanderliegende Zeiten und Seiten der römischen
Cultur entgegen, und zugleich sind diese mit der Erscheinung von zwei
sehr verschiedenen Epochen der christlichen Welt auf das Merkwürdigste
verwachsen.
Sprechen wir es gleich von vornherein scharf in einigen Worten
aus. Arles hat als römische Handelsstadt, seit dem Sinken Massilia's
zu Casars Zeit, eine immer steigende Bedeutung gewonnen, es ist mehr
und mehr aus der provinziellen Stellung herausgetreten und hat seine
glänzendsten Tage als eine Welt- und Hauptstadt im römischen Reiche
erst seit Gallienus, besonders seit Constantius, dem Vater Constantins
gesehen; es ist dann ein Bollwerk der römischen Herrschaft im Westen
gegen die Gallien überschwemmenden germanischen Stämme geblieben,
bis es endlich fast gleichzeitig mit Rom erlag. Also die letzte Periode
der römischen Welt, in der bereits das Christcnthum als anerkannte
Macht neben den antiken Anschauungen und Sitten auftritt, haben wir
hier vor allem zu suchen.
Es war aber natürlich, daß auch in der neuen Ordnung der Dinge
der germanischen Staaten, bei der nach der See hin doch geschütz-
ten Lage der Stadt, die Tradition dieser alten, schon christlichen Glanz-
zeit fortwirkte. Und so hat sich hier in der That seit der Mitte des
9. Jahrhunderts enger als anderswo an dieselbe die neuere kirchliche
und politische Bildung angeschloffen: der erzbifchöfliche Stuhl machte
die Ansprüche des gallischen Primates, einer apostolischen Kirche, von
Neuem recht geltend, und Arles sah sich noch einmal als Königsstadt,
bald wenigstens als Krönungsstadt in die vordere Reihe der Städte des
römischen Reiches deutscher Nation gestellt. Dieß hatte die Exemtion
von der gräflichen Gewalt befördert und in Arles ein municipales Le-
ben, wie in den italienischen Republiken, entwickelt, dessen erste recht-
liche Fixirung in der Charta Cousulatus vom I. 1142 unter dem Bei-
rath des Erzbischofs zu Stande kam. Aber das Haus, welches den
letzten Träger der Idee jenes christlichen Universalreichs in Italien auf
das Schaffet brachte, konnte, in den Besitz der Provence getreten, auch