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116 IV. Ueber die Epochen der griechischen Religionsgeschichte.

Dieser Vergötterung einzelner bevorzugter Sterblicher steht
aber dann gegenüber eine Anschauung des Todtenreiches als
einer Welt voll Spuk und Gespenster, als einer Rüstkammer der
Zauberei. Ueppig wuchert wie die Literatur so der Glaube und
die Praxis all des unermesslichen Spukes in Traumdeutung,
Todtenbeschwörung, Zaubertränken, Sterndeuterei, Winkelpro-
phetenthum , welcher mit hellenischer Bildung in die sich bildende
Metropole der alten Welt, Rom, einzog.

Eines, müssen wir sagen, blieb dieser Zersplitterung, dieser
Auflösung und Entartung noch Jahrhunderte lang ein Haltpunkt
des griechischen Götterglaubens und hat diesem bei seiner Ohn-
macht, den erwachten tiefsten Bedürfnissen des menschlichen
Geistes zu genügen, immer noch eine höhere, auch sittlich ver-
edelnde Wirkung mit gewahrt: es war die Kunst in ihrem
vollsten Umfang, es waren die hohen Geisteswerke der Bliitlie-
zeit, Homer an der Spitze, es war die Hoheit, Pracht und Un-
mittelbarkeit der griechischen Plastik in den lichten, farben-
geschmückten Hallen des griechischen Säulenbaus. Die Kunst,
das Kind der Religion, hat die Mutter überlebt, aber ihr zuvor
in reichem Maasse die ApArrpa, den Dank und die Kindespflicht
erwiesen.

Wir stehen am Ziele unserer Wanderung. Möchte es mir
gelungen sein, überhaupt die Bedeutung der Aufgabe einer Ge-
schichte der griechischen Religion mehr als es bisher geschehen
lebendig gemacht zu haben, gelungen sein, den innern noth-
wendigen Zusammenhang der mythologischen, der mehr anti-
quarischen, der ethischen Betrachtungsweise in einer cultur-
geschichtlichen lebendig dargestellt zu haben; möchten die hervor-
ragendsten Punkte, die ich auf unserer Wanderung zu markiren
mir erlaubte, in der That sich als reiche Aussichtspunkte und
als fruchtbare Ausgangsstellen genauerer Untersuchungen er-
proben!
 
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