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XV.

Am Grabe Hermann Köchly’s.

Hochgeehrte Collegen! Liebe Commilitonen!

Hoch an sehn liehe Trauer Versammlung!

In wenig Monaten ist es das dritte Mal, dass wir uns ver-
einen, um das letzte Geleite einem gefeierten Mitgliede unserer
Corporation zu geben, um an seinem offenen Girabe den Em-
pfindungen des Schmerzes, der Trauer, der Achtung und Liehe
Ausdruck zu verleihen. Und doch wie verschieden sind diese
Trauerfälle untereinander, wie verschieden der unmittelbare
Eindruck des heute von uns beklagten Verlustes von den voran-
gegangenen.

Hier schliesst sich das Grab über einem Senior der Uni-
versität1), der seit Jahren in stiller Zurückgezogenheit gelebt
hat nach einer langen, ruhmvollen, glänzenden Thätigkeit,
immer noch im Herzen voll von Tlieilnahme für die Anstalt,
deren einzelne Glieder ihn kaum noch persönlich kannten; dort
endet ein reiches Leben2), ehe es die Mittagshöhe erreicht hat,
schon länger durch bitteres Siechthum ausgeschieden aus der
Mitte seiner harrenden Schüler und Kranken, und heute stehen
wir am Sarge eines Mannes, den wir noch vor wenigen Monaten
frisch und elastisch in voller Manneskraft, wenn auch das Haupt
vom Silberweiss der Haare geschmückt, seines Amtes warten
sahen. Tagtäglich lenkte er am Schlüsse des Sommersemesters
seine Schritte von dieser freundlichen ländlichen Stätte hinüber
zur Stadt, zur Universität, freudig erwartet von dem harrenden
zahlreichen Kreise seiner Zuhörer oder bereit, seine wohltönende
Stimme im Rathe der Collegen zu erheben. Wir sahen ihn im
beginnenden Herbst eifrig die Vorbereitungen treffen, um einen
lang gedachten Plan auszuführen, einen still gehegten Herzens-
wunsch endlich zu erfüllen. Gegen Ende September scheidet
er, nicht ohne eine gewisse ernste Vorahnung, von seiner Familie
 
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