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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Hrsg.]; Lewald, Theodor [Gefeierte Pers.]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0059
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sässig, haben Dichtungen Michelangelos in Musik gesetzt1. Als Luigi del Riccio
dem Meister Anfang der vierziger Jahre eine der Kompositionen von Archadelt
übermittelte, war Michelangelo hocherfreut und bat den Freund, dem Kompo-
nisten ein seiner Gabe würdiges Geschenk zu übermitteln2.
Niemand ist dankbarer für kleine Aufmerksamkeiten gewesen, niemand zeigte
sich so bestrebt, alles, was er an uneigennützigen Beweisen von freundlicher
Gesinnung erfuhr, freundlich zu erwidern, als Michelangelo. Anfang Novem-
ber 1546 hatte er den Freund Luigi del Riccio durch den Tod verloren, am 1. Ja-
nuar 1547 war das Breve Pauls III. erschienen, das Michelangelo zum obersten
Architekten von St. Peter ernannte, am 25. Februar desselben Jahres starb Vit-
toria Colonna. Trotz solcher Überlastung mit Arbeit, trotz solcher Schicksals-
schläge glaubte sich Michelangelo - eingedenk des durch Vermittlung Luca
Martinis erhaltenen Libretto - einer Anfrage Varchis nicht versagen zu sollen,
der in dem über den Vorrang von Bildhauerkunst und Malerei entstandenen
Rangstreit natürlich vor allen Dingen Michelangelos Meinung hören wollte.
Bereits Vasari hatte Sommer oder Herbst 1546 in Rom persönlich versucht,
Buonarrotis Meinung in dieser Sache zu erfahren und lächelnd von ihm das
sibyllinische Orakel erhalten: „Bildhauerkunst und Malerei verfolgen das gleiche
Ziel, das gleich schwer sowohl von der einen wie von der anderen erreicht wird.“ 3
Aber diese Antwort konnte den betriebsamen Veranstaltern dieser sonderbaren
Enquete nicht genügen. Und so scheint sich Varchi - vielleicht durch Vermitt-
lung des gemeinsamen Freundes Giannotti - direkt an den Meister gewandt zu
haben, ihn beschwörend, in dieser wichtigen Frage sich seinen Florentiner Lands-
leuten nicht zu versagen. In das Frühjahr 1547 haben wir aller Wahrscheinlich-
keit nach Michelangelos ausführliche Antwort zu setzen, die durch die Prägnanz
des Ausdruckes und die logische Klarheit der Gedanken die Meinungsäußerungen
aller übrigen Künstler überragt, die sich zu dieser Frage geäußert haben. „Ich
bin der Meinung,“ schrieb Michelangelo, „daß die Malerei die beste ist, die sich
dem Relief nähert und das Relief schlecht ist, das der Malerei nahezukommen
versucht. Und so glaubte ich, daß die Bildhauerkunst als Laterne der Malerei zu
gelten habe und daß sie sich zueinander verhalten wie Sonne und Mond. Jetzt,
nachdem ich Euer libretto gelesen habe, habe ich meine Meinung geändert und
sage, Malerei und Bildhauerkunst sind dieselbe Sache und jeder Bildhauer muß
ein Maler und jeder Maler ein Bildhauer sein. Und da Malerei und Plastik den-
selben geistigen Ursprung haben,“ fügt er endlich ungeduldig hinzu, „so meine
1 Von Bartolomeo Tromboncino wurde das Madrigal: Com’ aro dunque ardire in Musik gesetzt. Vgl. Frey,
Dichtungen, p. 9 und 311. G. G. Guidi, Tre madrigali di Michelangiolo Buonarroti posti in musica, Firenze
1875, p. 1.
2 Milanesi, Lettere, p. 479.
• K. Frey, Vasari, Literarischer Nachlaß I, p. 185.

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