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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Editor]; Lewald, Theodor [Honoree]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0060
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ich,, sie könnten in Frieden miteinander leben und man könnte sich alle diese
Auseinandersetzungen sparen1.“
Auf diese Antwort hin scheint Michelangelo mit dieser Angelegenheit nicht weiter
behelligt worden zu sein. Man merkt es ihm an, wie mühsam er in seinem Schreiben
seinen Unmut unterdrückt hatte, wie gerne er den müßig Streitenden zugerufen
hätte: Bilde Künstler, rede nicht!
Aber dann äußerte Cosimo I. den Wunsch, die beiden Vorlesungen Varchis gedruckt
zu sehen, und selbstverständlich war der Wunsch Befehl2. Am 12. Januar 1550
war der Druck beendet und die „Due lezzioni di M. Benedetto Varchi“, die
Lorenzo Torrentino aufs schönste gesetzt hatte, fanden sofort ihren Weg
von Florenz nach Rom. Nicht nur Michelangelo, sondern auch sein Freund
Tommaso Cavalieri haben ein Exemplar erhalten. Michelangelo bat bereits im
Februar 1550 den alten Freund Giovan Francesco Fattucci, Priester in S. Maria del
Fiore, Varchi den Dank Cavalieris zu übermitteln. Auch ein Sonett, das Michel-
angelo einmal auf Cavalieri verfaßt hatte, war in Abschrift für Varchi bestimmt:
„Wenn Ihr es wollt, gebt es ihm,“ schließt der Brief; „wenn nicht, übergebt es
dem Feuer und bedenkt, daß ich sozusagen mit dem Tode ringe und andere
Dinge im Kopf habe. Daß mir aber Messer Benedetto soviel Ehre in seinen
Sonetten erweist, bitte ich ihm zu danken. Mit dem Wenigen, was ich bin, stelle
ich mich ihm zur Verfügung.“3
Und Varchi - das darf man wohl sagen - hatte einen besonderen Dank Michel-
angelos verdient. Der Ruhm des Dichters Michelangelo wurde durch
dieses Büchlein in ganz Italien verbreitet. Dem Freundschaftsbunde zwischen
Michelangelo und Cavalieri war das schönste Denkmal gesetzt. Taktvoll und
unbefangen hatte Varchi des jungen römischen Edelmannes gedacht, den er
selbst in Rom kennengelernt, und der „mit unvergleichlicher körperlicher
Schönheit eine solche Anmut des Wesens, solch einen erlesenen Geist verband,
daß der ihn am meisten lieben mußte, der ihn am besten kennengelernt hatte.“4
Heute wird es niemand mehr fertigbringen, diese beiden Vorlesungen Varchis von
Anfang bis zu Ende zu lesen. Damals haben sie die Geister viel beschäftigt und
erregt und selbst am Katafalk Michelangelos ist der hitzige Streit noch einmal
neu entbrannt, ob der Malerei der Vorrang gebühre vor der Bildhauerkunst. Vasari
und Benvenuto Cellini haben sich über diese Doktorfrage tödlich entzweit!
Wenige Monate später, im März 1550, erschien Vasaris Monumentalwerk der
Lebensbeschreibungen Italienischer Künstler von Cimabue bis auf Michelangelo.
'Milanesi, Lettere, p. 522. Falsch datiert 1549, vielmehr Frühjahr 1547 geschrieben. Vgl. Frey, Dichtungen,
p. 522. Zuerst gedruckt bei Varchi, Due lezzioni, Firenze 1549, p. 154/55.
2 Frey, Dichtungen, p. 373.
’ Milanesi, p. 529. Falsch datiert Oktober 1549, geschrieben nachdem 8. Februar 1550; vgl. Frey, Dichtungen, p. 374.
4 Varchi, Due lezzioni, Firenze 1549, p. 47.

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