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Stettiner, Richard
Das Webebild in der Manesse-Handschrift und seine angebliche Vorlage — Berlin, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.4054#0016
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m NACHDEM ich diese Darlegungen druckfertig gemacht habe,
• kommen mir die Aufsätze zu Gesicht, die Stange und Kuhn
über die Elsässer Miniaturen im Anz. für Schweiz. Altertumskunde, N.
F., Bd. XI, S. 318—329 und Bd. XII, S. 226—228 veröffentlicht haben.

Stange in seinem Aufsatz „Manesse-Codex und Rosenroman" ergänzt
die Angaben seiner Dissertation; er gibt nach persönlichem Studium
der Fragmente eine genaue Beschreibung der Farben15 und Technik;
ferner ist wichtig die Beschreibung der Rückseiten mit Text. Den Vor-
gang hat er jetzt richtiger erkannt, indem er das Gerät nach Mitteilung
von Prof. FuHSE-Braunschweig als „Webstuhl" bezeichnet, ohne aber
sonst näher auf die für die Erkenntnis wichtige Art der Arbeit ein-
zugehen; die Frau schwingt nach wie vor für ihn ein „Messer", —
aber wir erfahren allerdings auch, daß das „Messer" auf dem Frag-
mente „grünlich weiß, der Stiel braun" gemalt ist; — also der Maler
selbst hat nicht mehr verstanden, um was es sich handelt, und das
hölzerne, in der Manessehandschrift golden gemalte Webeschtvert in
ein Eisenmesser verwandelt!

Dann hat Stange versucht, das Bild mit dem Rosenroman in Ver-
bindung zu bringen, und gibt eine Notiz Omonts und eine genauere
Beschreibung Alfred Kuhns wieder, wonach sich ein verwandtes Bild
in dem Rosenroman in der Bibl. nat. zu Paris, Ms. franc. Nr. 24388
fol. 3vo befinde. Kuhn beschreibt das Bild so: „Ein junger Mann
reicht kniend einer Dame einen Becher, den er mit der linken Hand
hält. Die rechte Hand ist damit beschäftigt, den Becher im Gleich-
gewicht zu halten oder die Ohrfeige, die ihm die Dame mit der rechten
versetzt, abzuwehren."

Kuhn fügt hinzu, daß die Darstellung des knienden Darbringens
von Geschenken von seiten eines jungen Mannes an Vilainie traditionell
sei (für „Vilainie" vgl. Roman de la Rose V. 166—178); „abgewandelt
werde die Darstellung, indem die Dame die Dienste des jungen
Mannes übel belohne, ab und zu auch ihm mit hocherhobenem Fuße
einen Tritt gebe."

Stange zieht außer der Möglichkeit, daß die Miniatur auf dem
Elsässer Fragment eine Verballhornung dieser Miniatur sei, die ja an
eine ganz andere Stelle des Romans gehört, als die Verse auf der
Rückseite der Fragmente angeben, noch andere Möglichkeiten in
Betracht, Wie die, daß die Darstellung gar keine Romansituation, sondern
einen sogenannten Kunkellehen wiedergebe (das „Schermesser" als
Ersatz des Schwertes usw.) Wörtlich fährt er fort: „Die beiden Per-
sonen auf dem zweiten Bilde (zufällig sind die Bilder in Privatbesitz
vereinigt) brauchten dann mit der ersten Darstellung in keinem Zu-
sammenhang zu stehen, vielleicht ist hier der Illuminator einer ganz
 
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