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Kekulé von Stradonitz, Reinhard
Die Balustrade des Tempels der Athena-Nike in Athen — Leipzig, 1869

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https://doi.org/10.11588/diglit.976#0022
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lieh, dass die bildende Kunst die andere Form des Ausdrucks
für die selbe Anschauung, die Darstellung der Athena als vixrflöpoc,
vorzog. Durch des Phidias Parthenos ist die die Nike auf der Hand
tragende Athena einer der beliebtesten Gegenstände geworden j
und die verschiedene Art der Vereinigung der Nike mit ihrer Herrin
bot Anlass zu den mannigfachsten Wendungen des selben Gedankens.
— Auch die selbständige Nike hat in der bildenden Kunst eine sehr
reiche Entwicklung gefunden. Es giebt — ausser Eros — keine
kunstmythologische Figur von gleicher Fügsamkeit, die in den ver-
schiedenartigsten Situationen und zum Ausdruck der verschieden-
artigsten Beziehungen mit gleicher Deutlichkeit und mit gleicher
Freiheit verwendet werden konnte. Diese Freiheit offenbart sich
auch in der Weise der Darstellung selbst. Nike trägt bald die eigent-
lichsten Zeichen des Sieges. Kranz und Tänie, bald, indem sie die
bedeutungsvolle Dienerin der Götter ist, die gefüllte Kanne um
ihnen einzugiessen oder zu spenden, oder den Heroldstab. Sie er-
scheint als mächtige Jungfrau, und in der Kleinheit eines Kindes, in
den feierlichen zierlichen Kleidern, wie sie die altertümliche Kunst
liebte, in den frei und grossartig componirten Gewändern der Zeil
der Vollendung, und endlich unverhüllt im Schmuck der eigenen
Schönheit. Ebenso mannigfach ist die Anordnung und der Schmuck
des Haares. Ein bestimmter Typus des Kopfes hat sich für die ältere
Kunst noch nicht nachweisen lassen. Denn so zahlreich die Dar-
stellungen sind, so gehören sie zumeist Kunstgattungen an, welche
einen individuellen Gesichtstypus nicht geben konnten und wollten.
Auch die Reliefs der vollendeten Kunst gehen über den einfachen
allgemein attischen Typus nicht hinaus. Dagegen wurde im Verlauf
der Kunst, nicht nur für das Gesammtmotiv einzelner Statuen,
sondern für die Gesichtsbildung der Nike überhaupt, das Ideal der
Aphrodite massgebend, welches im späteren Altertum eben so sehr
vor den übrigen Göttertypen bevorzugt gewesen zu sein scheint,
wie dies in moderner Zeit geschieht.
 
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