Quellen der Kunftdarftellung.
Die fynoptifchen Evangelien berichten über die Taufe Chrifti ziemlich übereinftimmend. Marcus in kürzefter
Form, da er die anfängliche Weigerung des Johannes, Chriftus zu taufen, von welcher Matthäus und Lucas ausführlich
berichten, nicht aufgenommen hat. Auch ich kann diefe Vorgefchichte übergehen, da fie für die bildliche Darftellung
von keiner weiteren Bedeutung ift. In gleicher Weife erzählen die drei Evangelien dann, dafs, nachdem Chriflus
getauft war, fich der Himmel öffnete. Ueber den Taufvollzug selbft erhalten wir keine Nachricht. Es zeigt fich
jedoch beim Vergleichen des Matthäus und Marcus Evangeliums mit dem des Lucas eine Verfchiedenheit in der
Angabe des Momentes der Erfcheinung felbft.
Matthäus fagt c. III v. 16: „Und da Jefus getauft war, flieg er bald herauf aus dem Waffer; und fiehe, da
tat fich der Himmel auf über ihm" u. f. f. — Ebenfo Marcus c. I v. 10: „Und alfobald flieg er aus dem Waffer
und fah, dafs fich der Himmel auftat" u. f. f. — Nach diefen Beiden öffnete fich demnach der Himmel in dem Augen-
blicke, als Chriftus fich nach der Taufe beeilte an das Ufer zu fteigen. Nicht fo nach Lucas c. III v. 21:
„Und es begab fich, da fich alles Volk taufen liefs, und Jefus auch getauft war und betete, dafs fich der Himmel
auftat" u. f. f. Er läfst fomit die Erfcheinung eintreten, als Chriftus nach der Taufe betete, alfo keinesfalls in dem
Momente, wo er an das Ufer fteigt, weil die Verrichtung des Gebetes doch die demütige Ruhe involvirt.
Gleichlautend find dann wieder die Schilderungen der Erfcheinung felbft: es öffnete fich der Himmel, der hl. Geift
kam in Geftalt einer Taube auf Chriftus herab und eine Stimme ertönte, nach Matthäus c. III v. 17: „Dies ift mein
lieber Sohn... nach Marcus c. I v. 11 und Lucas c. III v. 22: „Du bift mein lieber Sohn, an dem ich Wolgefallen
habe".
An diefe Ueberlieferung hatte fich der bildende Künftler zu halten, wenn er fein Werk ftreng nach den
kanonifchen Evangelien geftalten wollte. Denn das Johannes Evangelium war für ihn ohne Belang, da es, die Tauf-
gefchichte als bekannt vorausfetzend, diefelbe nicht förmlich wiedererzählt*), fondern fich damit begnügt, den Täufer
bezeugen zu laffen, dafs der hl. Geift gleich wie eine Taube vom Himmel herabfuhr und auf Chriftus blieb.
Auch die apokryphen Evangelien übergehen den eigentlichen Taufakt und fetzen erft da ein, wo die Er-
fcheinung fich zeigt2). Die betreffende Stelle in dem Evangelium der Hebräer, von welchem uns Hieronymus be-
richtet3), lautet: „Es gefchah aber, als der Herr aus dem Waffer flieg, liefs fich der ganze Brunnen des hl. Geiftes
herab und ruhete über ihm und fprach zu ihm: „Mein Sohn, unter allen Propheten" u. f. f.4) Als Moment der
Erfcheinung wird alfo hier ühereinftimmend mit Matthäus und Marcus der angegeben, in welchem Chriftus an das
Ufer fteigt. Abweichend ift jedoch die Schilderung der Epiphanie: „der ganze Brunnen des hl. Geiftes liefs fich
herab und ruhete über ihm und fprach" etc. Ift auch der Inhalt klar, für den bildenden Künftler war damit nichts
Beftimmtes gegeben. Dagegen hält fich das Evangelium der Ebioniten auch in der Befchreibung der Erfcheinung
enger an Matthäus und Marcus. Nach Epiphanes5) hiefs es dort: „Da nun das Volk fich taufen liefs, kam auch
Jefus und wurde von Johannes getauft. Da er aber aus dem Wäffer heraufftieg, öffnete fich der Himmel und er
fah den heiligen Geift Gottes gleich einer Taube herabfahren und über fich kommen. Und es gefchah eine Stimme
vom Himmel, welche fprach: „Du bift mein lieber Sohn, an dem ich Wolgefallen habe. Und wiederum: Heute
habe ich Dich gezeugt. Und alfobald umfchien den Ort ein grofses Licht"6). Davon berichtet auch Juftinus Martyr,
doch läfst er das Licht fich in demjenigen Augenblicke ausbreiten, in welchem Chriftus in den Jordan tritt:7) „Als
Jefus darauf an den Flufs Jordan kam, wo Johannes taufte, erhob fich, da Jefus in das Waffer flieg, alsbald ein Licht
im Jordan".
In der übrigen patriftifchen Literatur wird die Taufe Chrifti öfter erwähnt, doch mehr zum Zwecke theolo-
gifcher Interpretation. Etwas Neues erfahren wir nicht. Wie wenig fich die Vorftellung von diefer Begebenheit unter
') Vgl. S. A. Dorn er in Piper's , ,Evangelifcher Kalender", Jahrbuch für 1860 p. 70.
2) Eine zufammenfaffende Erzählung nach den Apokryphen gibt R. Hof mann, „Das Leben Jefu nach den Apokryphen." Leipzig
1851 p. 299 ff.
3) Commentariorum inIsaiam prophetam, lib. IV zu cap. XI v. 1 u. 2. — Bei Migne, Patrologiae cursus corapletus lat. tom. XXIV Spalte 145.
4) Ich führe die Worte Gottes, obwol fie vollftändig von dem Texte der kanonifchen Evangelien abweichen, nicht an, weil fie für meine
Unterfuchung ohne Bedeutung find.
°) Adversus haereses, cap. XXX, 13, bei Migne a. a. O. graec. tom. XLI Spalte 430.
G) Diefer Lichtglanz, fich nach der Taufe und Erfcheinung verbreitend, wird noch öfter erwähnt. Vgl. darüber Migne im Commentar
zu Juvencus, Evangel. hift. v. 391. — Patr. curs. compl. lat. tom. XIX Spalte 110.
7) Juftinus, Dialogus cum Tryphone, cap. 88, bei Migne a. a. O. graec. tom. VI Spalte 686.
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Die fynoptifchen Evangelien berichten über die Taufe Chrifti ziemlich übereinftimmend. Marcus in kürzefter
Form, da er die anfängliche Weigerung des Johannes, Chriftus zu taufen, von welcher Matthäus und Lucas ausführlich
berichten, nicht aufgenommen hat. Auch ich kann diefe Vorgefchichte übergehen, da fie für die bildliche Darftellung
von keiner weiteren Bedeutung ift. In gleicher Weife erzählen die drei Evangelien dann, dafs, nachdem Chriflus
getauft war, fich der Himmel öffnete. Ueber den Taufvollzug selbft erhalten wir keine Nachricht. Es zeigt fich
jedoch beim Vergleichen des Matthäus und Marcus Evangeliums mit dem des Lucas eine Verfchiedenheit in der
Angabe des Momentes der Erfcheinung felbft.
Matthäus fagt c. III v. 16: „Und da Jefus getauft war, flieg er bald herauf aus dem Waffer; und fiehe, da
tat fich der Himmel auf über ihm" u. f. f. — Ebenfo Marcus c. I v. 10: „Und alfobald flieg er aus dem Waffer
und fah, dafs fich der Himmel auftat" u. f. f. — Nach diefen Beiden öffnete fich demnach der Himmel in dem Augen-
blicke, als Chriftus fich nach der Taufe beeilte an das Ufer zu fteigen. Nicht fo nach Lucas c. III v. 21:
„Und es begab fich, da fich alles Volk taufen liefs, und Jefus auch getauft war und betete, dafs fich der Himmel
auftat" u. f. f. Er läfst fomit die Erfcheinung eintreten, als Chriftus nach der Taufe betete, alfo keinesfalls in dem
Momente, wo er an das Ufer fteigt, weil die Verrichtung des Gebetes doch die demütige Ruhe involvirt.
Gleichlautend find dann wieder die Schilderungen der Erfcheinung felbft: es öffnete fich der Himmel, der hl. Geift
kam in Geftalt einer Taube auf Chriftus herab und eine Stimme ertönte, nach Matthäus c. III v. 17: „Dies ift mein
lieber Sohn... nach Marcus c. I v. 11 und Lucas c. III v. 22: „Du bift mein lieber Sohn, an dem ich Wolgefallen
habe".
An diefe Ueberlieferung hatte fich der bildende Künftler zu halten, wenn er fein Werk ftreng nach den
kanonifchen Evangelien geftalten wollte. Denn das Johannes Evangelium war für ihn ohne Belang, da es, die Tauf-
gefchichte als bekannt vorausfetzend, diefelbe nicht förmlich wiedererzählt*), fondern fich damit begnügt, den Täufer
bezeugen zu laffen, dafs der hl. Geift gleich wie eine Taube vom Himmel herabfuhr und auf Chriftus blieb.
Auch die apokryphen Evangelien übergehen den eigentlichen Taufakt und fetzen erft da ein, wo die Er-
fcheinung fich zeigt2). Die betreffende Stelle in dem Evangelium der Hebräer, von welchem uns Hieronymus be-
richtet3), lautet: „Es gefchah aber, als der Herr aus dem Waffer flieg, liefs fich der ganze Brunnen des hl. Geiftes
herab und ruhete über ihm und fprach zu ihm: „Mein Sohn, unter allen Propheten" u. f. f.4) Als Moment der
Erfcheinung wird alfo hier ühereinftimmend mit Matthäus und Marcus der angegeben, in welchem Chriftus an das
Ufer fteigt. Abweichend ift jedoch die Schilderung der Epiphanie: „der ganze Brunnen des hl. Geiftes liefs fich
herab und ruhete über ihm und fprach" etc. Ift auch der Inhalt klar, für den bildenden Künftler war damit nichts
Beftimmtes gegeben. Dagegen hält fich das Evangelium der Ebioniten auch in der Befchreibung der Erfcheinung
enger an Matthäus und Marcus. Nach Epiphanes5) hiefs es dort: „Da nun das Volk fich taufen liefs, kam auch
Jefus und wurde von Johannes getauft. Da er aber aus dem Wäffer heraufftieg, öffnete fich der Himmel und er
fah den heiligen Geift Gottes gleich einer Taube herabfahren und über fich kommen. Und es gefchah eine Stimme
vom Himmel, welche fprach: „Du bift mein lieber Sohn, an dem ich Wolgefallen habe. Und wiederum: Heute
habe ich Dich gezeugt. Und alfobald umfchien den Ort ein grofses Licht"6). Davon berichtet auch Juftinus Martyr,
doch läfst er das Licht fich in demjenigen Augenblicke ausbreiten, in welchem Chriftus in den Jordan tritt:7) „Als
Jefus darauf an den Flufs Jordan kam, wo Johannes taufte, erhob fich, da Jefus in das Waffer flieg, alsbald ein Licht
im Jordan".
In der übrigen patriftifchen Literatur wird die Taufe Chrifti öfter erwähnt, doch mehr zum Zwecke theolo-
gifcher Interpretation. Etwas Neues erfahren wir nicht. Wie wenig fich die Vorftellung von diefer Begebenheit unter
') Vgl. S. A. Dorn er in Piper's , ,Evangelifcher Kalender", Jahrbuch für 1860 p. 70.
2) Eine zufammenfaffende Erzählung nach den Apokryphen gibt R. Hof mann, „Das Leben Jefu nach den Apokryphen." Leipzig
1851 p. 299 ff.
3) Commentariorum inIsaiam prophetam, lib. IV zu cap. XI v. 1 u. 2. — Bei Migne, Patrologiae cursus corapletus lat. tom. XXIV Spalte 145.
4) Ich führe die Worte Gottes, obwol fie vollftändig von dem Texte der kanonifchen Evangelien abweichen, nicht an, weil fie für meine
Unterfuchung ohne Bedeutung find.
°) Adversus haereses, cap. XXX, 13, bei Migne a. a. O. graec. tom. XLI Spalte 430.
G) Diefer Lichtglanz, fich nach der Taufe und Erfcheinung verbreitend, wird noch öfter erwähnt. Vgl. darüber Migne im Commentar
zu Juvencus, Evangel. hift. v. 391. — Patr. curs. compl. lat. tom. XIX Spalte 110.
7) Juftinus, Dialogus cum Tryphone, cap. 88, bei Migne a. a. O. graec. tom. VI Spalte 686.
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