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Strzygowski, Josef
Iconographie der Taufe Christi: ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der christlichen Kunst — München, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.14148#0083
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ZufammenfafTung.

Wir haben die Entwicklungsftufen in der typifchen Darftellungsweife der Taufe Chrifti verfolgt von den
früheften Zeiten bis zum Durchbruche des individuell verfchiedenen künftlerifchen Ausdruckes. Wenn ich hier ab-
breche, fo gefchieht es, weil es für die Wiffenfchaft von geringem Nutzen und überdies fchwierig fein dürfte, bei
Unterfuchung der Kunftwerke der folgenden Jahrhunderte bis auf unfere Tage den Aufgaben gerecht zu werden, welche
ich bis nun im Auge hatte: aus den Wandlungen in der typifchen Darftellungsweife der Taufe Chrifti Schlufsfolgerungen
erftens auf die Datirung von Kunftwerken, dann aber auf den Charakter gewiffer Kulturepochen überhaupt zu ziehen.
Der biographifchen Unterfuchung allein möge es vorläufig überlaffen bleiben die letzten Jahrhunderte zu lichten und
dem forfchenden Geifte klar zugänglich zu machen.

Von vielen Seiten betrachtet man die Studien des Iconographen wie Entdeckungsfahrten, bei denen nicht nur
eifriges Suchen und Grübeln, fondern in erfter Linie die glückliche Wahl des Gegenftandes für den Erfolg mafsgebend
ift. Ein Irrtum, den wol weniger die Erfahrung, als die Neuheit der Sache nährt. Denn find bisher, ganz abgefehen
von derartigen franzöfifchen und englifchen Arbeiten, von verfchiedenen Seiten Unterfuchungen über die Wandlungen
im Typus einzelner biblifcher Scenen angefleht worden: über das Abendmahl, das jüngfte Gericht, die Genefisbilder,
über einzelne Heiligengeftalten u. f. f., fo ftanden diefelben, was den relativ hiftorifchen Wert anbelangt, weit über
der in der Bibel nur mit wenigen Worten und in fpäteren Schriften faft gar nicht weiter ausgeführten Begebenheit
aus der Jugend Chrifti, die wir, gerade wegen ihrer Einfachheit und dem zu erwartenden befcheidenen Zurücktreten
in der Kunft, in den Vordergrund unferer Betrachtungen geftellt haben. Und doch ift auch die Unterfuchung über
die Entwicklungsgefchichte der Taufe Chrifti nicht ohne Erfolg gewefen. Eine in gedrängter Kürze abgefafste Zu-
fammenftellung der, wie mich dünkt nicht zu fporadifchen und zu bedeutungslofen Refultate möge dies dartun. Frei-
lich ift eine folche nicht ohne Gefahr für den Verfaffer, denn Behauptungen, feien fie nun im fortlaufenden Texte
mit überzeugender Gewifsheit oder befcheidener Referve ausgefprochen, wenn fie überhaupt nur neu find, klingen aus
diefem herausgeriffen immer gewagt und kühn, weil fie den Charakter der Allgemeinheit bekommen, obwol fie im
Grunde doch nur von einem beftimmten Gefichtspunkte aus Geltung haben. Wenn ich trotzdem vor einem folchen
Excerpt nicht zurückfchrecke, fo gefchieht es, indem ich mich dabei ftets auf die vorliegenden Monumente allein be-
rufe und in der Ueberzeugung, dafs gerade die gedrängte Ueberfichtlichkeit des Wcfentlichen zum Nutzen des Ganzen
beitragen werde.

Nach den Berichten der Evangelien war dem bildenden Künftler für die Darftellung der Taufe Chrifti be-
ftimmt gegeben: der dreifsigjährige Chriftus, welcher, nachdem er von dem um ein halbes Jahr älteren und mit einem
Kleide von Kameelhaaren und einem Gürtel um die Lenden bekleideten Johannes getauft war, durch das Herabkommen
der Taube und die göttliche Stimme als Sohn Gottes bezeugt wird. Die Apokryphen ändern daran nichts, fondern
fügen nur den von Juftinus beftätigten Lichtglanz hinzu. Nach diefer Ueberlieferung hätte fomit der Künftler nicht
die Taufe felbft, fondern den ihr folgenden Moment der Erfcheinung darftellen müflen. Doch gefchieht dies tatfäch-
lich nur einmal und zwar in dem alterten Monumente überhaupt, dem Gemälde der Lucina Crypte.

Alle fpäteren Darftellungen zeigen ein Abweichen von diefer Tradition, indem fich der Künftler, und nicht
nur er allein, auch ein Dichter wie Iuvencus, die Freiheit nahm, zwei zeitlich aufeinander folgende Momente zu ver-
einigen und die Erfcheinung während des Taufvollzuges felbft herabkommen zu laffen. Durch diefe Zufammenziehung
war aber zweierlei zur Darfteilung zu bringen, worüber die Berichte keine Auskunft mehr geben: die Art des Tauf-
vollzuges d. h. der Taufritus und damit in Verbindung die paffende Form für den Jordan. Darin hatte der Künftler
die freie Wahl, wenn er felbftändig arbeitete, im anderen Falle aber mufste er fich an die Traditionen feiner Schule
oder die Gebräuche feiner Zeit halten. Zu diefen beiden für die Iconographie bedeutfamen Momenten gefellen fich
noch andere, die teils im Gefolge der erfteren, teils äufseren Einflüffen zuzufchreiben find. Denn wenn der Künftler
für die Darftellung des Taufvollzuges den Ritus feiner Zeit zum Vorbild nahm, fo wirkte diefe Bezugnahme zurück
auf das Aeufsere der Hauptfiguren. Andererfeits konnte er fich aber auch nicht dem Einfluffe gefetzlicher Vorfchriften
oder populärer Anfchauungen entziehen. — Alle diefe Elemente haben es möglich gemacht, die nach den Be-
richten der Evangelien fo überaus einfache Scene zu erweitern und zu variiren, fo dafs es gelingen konnte, nicht nur
gewiffe Gefetze für eine beftimrnte Datirungsform, fondern auch Rückfchlüffe auf die allgemeinen Bedingungen einzelner
Kunftepochen zu gewinnen.

Die altchristliche Kunst ift in ihrer Ausdrucksweife fchlicht und befchränkt fich auf die zum Verftändnis
abfolut notwendigen Figuren. Sie deutet mehr an, als fie wirklich darftellt. —- In dem Gemälde der Katakomben
tritt uns ein gewiffenhaftes Nachmalen des biblifchen Berichtes entgegen. — In den Skulpturen der Sarkophage
dagegen wird der Inhalt der Evangelien mit künftlerifcher Freiheit behandelt und es dienen der Darftellungsweife
 
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