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Strzygowski, Josef
Iconographie der Taufe Christi: ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der christlichen Kunst — München, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.14148#0071
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Die Kunft in Frankreich, England und den Niederlanden.

Für die Unterfuchung der Darfteilung der Taufe Chrifti in der franzöfifchen Kunft liegen mir nur wenige
Monumente vor. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ift das Taufbecken in der Schlofskirche zu Mousson
bei Nancy entftanden1). In der Taufe [XVII, i]2) ragt der Erlöfer nur mit dem Oberkörper aus einem niedrigen
Hügel, der durch feine wellenförmige Schichtung als das Jordanwaffer charakterifirt wird. Chriftus ift unbärtig, trägt
langes Haar und Kreuznimbus, hält die Rechte an die Bruft und läfst die Linke herabhängen. Johannes, in ganzer
Figur fichtbar, daher Chriftus weit überragend, fleht links. Er ift bärtig, bekleidet mit einem pelzverbrämten Mantel,
den er mit der Linken vorn zufammenfafst, ftreckt die Rechte gegen Chrifti Haupt aus und blickt dabei den Be-
fchauer voll an. Ihm gegenüber fieht man einen Engel, wie Johannes mit ungefchickt eingeknickten Beinen daftehend,
ein Trockentuch bereit halten. Ueber Chriftus fchwebt die Taube und darüber erfcheint in einem halbkreisförmigen
Bande der bärtige, nimbirte Kopf Gott Vaters. Merkwürdig ift auch noch ein kleiner Engel, der über dem erft-
befchriebenen fchwebend ein Rauchfafs fchwingt3): jedenfalls eine Herübernahme des Miniftranten, welcher beim rituellen
Taufvollzuge dasfelbe tat.

Die perfönliche Darflellung Gott Vaters in fo früher Zeit fleht in der franzöfifchen Kunft nicht vereinzelt da.
Sie fehlt zwar auf einem zweiten Relief des H.Jrh.; doch läfst fich dies, fowie andere Eigentümlichkeiten im Aufbau,
auf die Trapezform des gegebenen Raumes zurückführen. Ich meine die Darfteilung in der rechten Ecke des giebel-
artig geformten Deckfteines eines Seitenportals von Nötre dame du port zu Clermont-Ferrand [XVII, 2]*). Die Figuren
fteigen der Höhe nach an. Zuerft rechts der knieende Engel mit dem Trockentuche. Dann Chriftus bis an die
Lenden in dem in horizontalen Schichten auffteigenden Waffer, beide Hände vor die Scham haltend. Endlich Johannes
in ganzer Geflalt, in einem langen, faltigen Gewände5), den Arm Chrifti mit der Rechten berührend. Jede Andeutung
der Erfcheinung fehlt.

Dagegen findet fich die Perfonification Gott Vaters wieder auf dem berühmten, fchön gearbeiteten Taufbecken
der Bartholomäuskirche zu Lüttich, welches, ca. i. J. 1112 von Lambert Patras gegoffen, in der Compofition und
Charakteriftik der Geftalten dem Taufbecken von Mousson nahe fleht. Doch ift die Arbeit edler und fleht künft-
lerifch bedeutend höher. In der Taufe [XVII, 3]6) ragt Chriftus von den Lenden an aus dem horizontal gefchichteten
Wafferhügel. Er ift jugendlich, unbärtig, trägt langes Haar und den Kreuznimbus, hält die Rechte fegnend, die Linke
mit einem begleitenden Geftus zur Bruft erhoben. Links fehen wir den Täufer wieder in dem pelzverbrämten Mantel,
den er mit der Linken vorn zufammenhält. Seine Haltung ift natürlich und fchön, auch blickt er Chriftus an, während
er ihm die Rechte auf das Haupt legt. Ihm gegenüber harren zwei demütig gebückte Engel, deren vorderer das
Trockentuch über die vorgeftreckten Arme gebreitet hält. Ueber Chriftus fieht man in einem Strahlenbündel die
nimbirte Taube aus einem Halbkreife ragen, in dem der Kopf Gott Vaters erfcheint. Die ganze Compofition wird
durch Bäume von der nächften getrennt.

Bisher trat uns Chriftus unbärtig entgegen. Doch fchon eine zweite Darflellung des 12. Jrh. zeigt ihn mit
Bart. Diefelbe befindet fich auf einem Relief, welches in der Kirche von Carriere-Saint-Denis aufgedeckt wurde [XVII, 4]7).
Der Erlöfer fleht wieder en face, bis an die Hüften in dem die franzöfifchen Darftellungen von den deutfchen fo fehr
unterfcheidenden Hügel, der durch horizontale Wellenlagen als der Jordan charakterifirt ift. Chriftus ift, wie gefagt,
bärtig und läfst beide Hände an der Seite herabhängen. Rechts von ihm fieht man Johannes in einem langen Dia
conengewande, wie er die Rechte hinter Chriftus, die Linke zu deffen Bruft erhebt. Von links oben fliegt, wie auf
dem Taufbecken zu Mousson von rechts her, ein kleiner Engel heran, der auf den vorgeftreckten Händen ein Trocken-
tuch herabreicht. Zwifchen den Köpfen Chrifti und Johannis erfcheint die Taube.

') Vgl. Schnaafe a. a. O. IV p. 673, welcher diefes und das Taufbecken in Lüttich der deutfchen Kunft zurechnet. Doch haben die Dar-
ftellungen iconographifch mit den gleichzeitigen deutfchen fo wenig gemein, fchliefsen fich dagegen fo eng an die noch zu erwähnenden franzöfifchen
des 12. Jrh. an, dafs ich glaube den Verfuch, fie unter letzteren anzuführen, wagen zu können.

2) Abg. bei Grille de Beuzelin „Statistique monumentale des arrondissements de Toul et de Nancy'1 Paris 1837, Atlas pl. 12. Gros-
nier „Iconographie ehret." Paris 184S p. 74.

3) nach Crosnier a. a. O.

4) Abg. bei Du Sommerard ,,Les arts au moyen äge" Ser. III pl. II.

5) Nach Du Sommerard. Vor dem Abgufse im Trccadero notirte ich: Johannes mit Untergewand und Fell.

6) Abg. bei Didron Ann. arch. V zu p. 20, Martin et Cahier „Melanges d'Arch." IV (1856) p. 99. Vgl. Schnaafe a. a. O. IV p.671.
') Abg. bei Rohault de Fleury „La messe" Paris 1884 Bd. II pl. CXVII. Vgl. Text p. 45.
 
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