Zur Geschichte dieses Bilderkreises.
[Man nimmt jetzt ziemlich allgemein an, dafs in Alexandria, der
Handelsmetropole der abendländischen Welt und dem Mittelpunkt jener
aus altägyptisch - hellenistischen und jüdischen Elementen gemischten
Kultur, welche so manches seltsame und bizarre Litteraturprodukt ge-
zeitigt hat, auch die älteste Form der unter dem Titel Physiologus be-
kannten christlichen Natursymbolik entstanden sei. Wann es geschah,
ist allerdings eine noch immer umstrittene Frage, und wir müssen uns
infolgedessen darauf beschränken, den ältesten Physiologus als ein
Werk der ersten christlichen Jahrhunderte zu bezeichnen.1) Jedenfalls
hat das zu Anfang vielleicht anonym erschienene Büchlein, welches
durch seine naturgeschichtlichen Fabeleien den Hang des Mittelalters
nach dem Wunderlichen und Absonderlichen lebhaft erfafste und durch
seine symbolische Verwertung die Richtung des M.-A. so glücklich
traf, sehr bald in dem Boden, in welchem es seinen Ursprung hatte,
feste Wurzeln gefafst und hat bereits frühzeitig den Grundstein zu
jener universellen Verbreitung gelegt, mit welcher nicht einmal andere
sehr beliebte Volksbücher des M.-A. leicht rivalisieren können. Ähnlich
den Heiligenleben und anderen litterarischen Erscheinungen, ja noch
mehr als alle diese zum Gemeingut der christlichen Völker des M.-A.
geworden, erhielt sich der Physiologus bis zum Ausgang des M.-A. am
Leben und blieb das beliebteste naturgeschichtliche bezw. zoologische
Handbuch der mittelalterlichen Welt. Seine ursprüngliche Fassung
freilich hat er ebensowenig wie alle anderen volkstümlichen Schöpfungen
des M.-A. durchweg bewahrt, vielmehr hat er während einer im Ver-
hältnis zu den engen Grenzen ungemein reichen Entwicklung eine
Menge Formen hervorgebracht, die, zunächst noch mäfsige Modi-
fikationen des alten Werkes, allmählich in jeder Beziehung so starke
Veränderungen erfuhren, dafs manchmal nur ein sehr schwacher Zu-
sammenhang mit der ursprünglichen Gestalt übrig blieb. Eine frühe
und in bescheidenen Grenzen gehaltene Umarbeitung des ältesten griech.
1) [Am höchsten hinaufgerückt hat den Zeitpunkt der Entstehung des Phys.
Lauchert, Gesch. S. 40 ff., gegen dessen Ansatz verschiedene Einwendungen er-
hoben worden sind, so z. B. in Sybels Hist. Ztschr. N. F. XXVIII 1, S. 132 f.; am
tiefsten herabgedrückt hat ihn Ahrens, Das Buch der Naturgegenstände (Kiel
1892) S. 13 ff. G.] Cf. im allgemeinen Krumbacher, Gesch. d. byz. Litt.2 S. 874 f.,
dazu neuerdings F. X. Kraus, Gesch. d. christl. Kunst I, S. 107.
[Man nimmt jetzt ziemlich allgemein an, dafs in Alexandria, der
Handelsmetropole der abendländischen Welt und dem Mittelpunkt jener
aus altägyptisch - hellenistischen und jüdischen Elementen gemischten
Kultur, welche so manches seltsame und bizarre Litteraturprodukt ge-
zeitigt hat, auch die älteste Form der unter dem Titel Physiologus be-
kannten christlichen Natursymbolik entstanden sei. Wann es geschah,
ist allerdings eine noch immer umstrittene Frage, und wir müssen uns
infolgedessen darauf beschränken, den ältesten Physiologus als ein
Werk der ersten christlichen Jahrhunderte zu bezeichnen.1) Jedenfalls
hat das zu Anfang vielleicht anonym erschienene Büchlein, welches
durch seine naturgeschichtlichen Fabeleien den Hang des Mittelalters
nach dem Wunderlichen und Absonderlichen lebhaft erfafste und durch
seine symbolische Verwertung die Richtung des M.-A. so glücklich
traf, sehr bald in dem Boden, in welchem es seinen Ursprung hatte,
feste Wurzeln gefafst und hat bereits frühzeitig den Grundstein zu
jener universellen Verbreitung gelegt, mit welcher nicht einmal andere
sehr beliebte Volksbücher des M.-A. leicht rivalisieren können. Ähnlich
den Heiligenleben und anderen litterarischen Erscheinungen, ja noch
mehr als alle diese zum Gemeingut der christlichen Völker des M.-A.
geworden, erhielt sich der Physiologus bis zum Ausgang des M.-A. am
Leben und blieb das beliebteste naturgeschichtliche bezw. zoologische
Handbuch der mittelalterlichen Welt. Seine ursprüngliche Fassung
freilich hat er ebensowenig wie alle anderen volkstümlichen Schöpfungen
des M.-A. durchweg bewahrt, vielmehr hat er während einer im Ver-
hältnis zu den engen Grenzen ungemein reichen Entwicklung eine
Menge Formen hervorgebracht, die, zunächst noch mäfsige Modi-
fikationen des alten Werkes, allmählich in jeder Beziehung so starke
Veränderungen erfuhren, dafs manchmal nur ein sehr schwacher Zu-
sammenhang mit der ursprünglichen Gestalt übrig blieb. Eine frühe
und in bescheidenen Grenzen gehaltene Umarbeitung des ältesten griech.
1) [Am höchsten hinaufgerückt hat den Zeitpunkt der Entstehung des Phys.
Lauchert, Gesch. S. 40 ff., gegen dessen Ansatz verschiedene Einwendungen er-
hoben worden sind, so z. B. in Sybels Hist. Ztschr. N. F. XXVIII 1, S. 132 f.; am
tiefsten herabgedrückt hat ihn Ahrens, Das Buch der Naturgegenstände (Kiel
1892) S. 13 ff. G.] Cf. im allgemeinen Krumbacher, Gesch. d. byz. Litt.2 S. 874 f.,
dazu neuerdings F. X. Kraus, Gesch. d. christl. Kunst I, S. 107.