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ll. Thomajin von Zerclaere.

und L abgeschrieben worden ist. Das ist wenig wahrscheinlich. Anders
liegen schon die Verhältnisse bei der Abfcssuug des Welschen Gastes.
Doch minder wichtig als die Frage nach etwaiger literarischer Abhängig-
keit scheint mir die nach dem geistesgeschichtlichen Zusammenhang zu
sein. Der Kaplan Andreas vertritt in feinem Werke — abgesehen von
Buch III — vollkommen den Standpunkt der Troubadours. Er läßt
zwar das Ideal der klösterlichen Hingabe an Gott durchaus gelten^
will aber selbst dem Geistlichen nicht die Möglichkeiten irdischer Liebe
rauben^. Er unterscheidet ferner deutlich zwischen Ehe und Liebes-
bund. Unter Gatten ist Liebe nicht mögliche, wohl aber kann der Ver-
heiratete eine andere lieben^. Damit entfernt sich der Kaplan weit
von den kirchlichen Moralbegriffen, wie sie im Alten und Neuen Testa-
ment, bei Kirchenvätern und in den Predigten immer wieder ver-
kündigt werden^. Er ist sich dieses Gegensatzes selbst bewußt, kann ihn
auch nicht überbrücken. Deshalb stellt er nach einer zwei Bücher um-
fassenden Lobpreisung der Liebe ihr im 3. Buche kurz und knapp die
so ganz andere Ansicht der Kirche gegenüber.
Trotzdem „handelt es sich dabei" — wie Baethgen^ betont —
„keineswegs um einen reinen Hedonismus, hinter dem nicht ein ganz
spezifisches, scharf geprägtes Ethos deutlich zu spüren wäre". Und dieses
Ethos ist das, was die innere Selbständigkeit der Minne lehre gegen-
über Ovids Liebeskunst begründet. Ovid hatte lediglich gefordert: ut
ameris, umubilis esto (^.rs II107). Die Troubadours und ihre Lehrer
bauen eine ganz bestimmte höfische Haltung auf, die im Minnedienste
gipfelt. Nur (worum) proditus macht zur Liebe würdig (Andr. IT 8,
Nr. 18, S. 311). Der Liebende halte sich von Geiz, Verschwendung,
Flatterhaftigkeit, von Schmähsucht, von Wollust (voluptutio ubunäan-
tia) in gleicher Weise frei. Er soll seinem Herrn die Treue halten, Gott
und die Heiligen ehren, regelmäßig die Kirche besuchen. Verletzt er
eine der Regeln, so hat er das Band der Liebe zerrissen^.
Das Werk des Andreas ist in lateinischer Sprache geschrieben.
Nichtsdestoweniger gehört es dem Kreise der proveuzalischen Trouba-
18: Os »mors monaeüarum (S. 221 ff.).
sor 2?. Dg smgi-tz elsrieorum (S. 219ff.).
IgN: Opietola rsmisss, a oomitissa Oampaniav. S. 153; ebd. 0 S. 172.
II8: Os rsAuIis smoris. Regel 1 (S. 310).
vgl. etwa: Alamis ab Insults, contra luxuriam, Migne 210,121L bis 123 L.
Desselben streng kirchlichen Geistes sind natürlich auch die Betrachtungen des Manns
an der oben (Anm. 492) genannten Stelle äs planet. n»t. 454ff.
°°° (Anm. 488) 60.
Andreas (Anm. 488) II 4: oualitsr tinis.tnr »mar (S. 248f.).
 
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