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II. Thomasin von Zerclaere.

handle dann schnell. Er verlasse sich ja nicht aus den, der sich ungesragt
mit seinem Rate vordrängt (13177ff.). Wir gehen wohl nicht fehl in
der Annahme, daß Thomasin bei der ausführlichen Umgrenzung der
Pflichten des Ratsuchenden und der Beratenden Wolfgers Praxis im
Auge hat. Wir erinnern uns, daß schon unter Berthold nicht mehr von
einem eonMum, sondern vielmehr von einem Konsensus die Rede ist^.
Wolfger hat noch fest das Heft in der Hand. Er allein entscheidet und
nicht mit Zustimmung, sondern nach dem Rat seiner Umgebung. Frei-
lich auch nicht ohne ihn. Thomasin setzt sich ein für stärkere Heranziehung
des niederen Adels. Oftmals könne ein arm man, der bei Hofe ist, besser
raten als ein hoher Vasall, der erst besendet werden muß (13049ff.).
Auch das ist durchaus im Sinne Wolfgers gedacht, dessen stärkste Stütze
gerade die Ministerialen find^l
Auch darin schweben dem Dichter die Zustände in seiner Heimat
vor, wenn er sich in seinem Werke ganz vornehmlich an zwei Stände
wendet, an Ritter und Geistliche (14695). Die Bürger treten zurück.
Thomasin kennt Oberitalien, er kennt die oberitalienischen Städte. Er
spricht nicht von ihnen. Der Begriff üoukman hat bei ihm deutlich
einen verächtlichen Beigeschmack (z. B. 14331s.; 14504); der koukwM
ist für ihn zugleich der rvuooberaere, und den bekämpft er erbittert.
Auf den Ritter kommt es ihm an. Auch da gibt es zu tadeln genug.
Zwar finden sich keine Zeugnisse für Ketzerei und offene Auflehnung
gegen die Kirche. Doch Macht sich eine beschämende religiöse Gleich-
gültigkeit breit:
ivau srvsr mi rvil dienen zot,
dos spottet man rallsr vrist (7W0f.).
Eine Laxheit der Sitten ist ein gerissen:
ein iezliebr sinn zolust bat:
der eins rninnet vast dar spil,
der ander pblszet rsrrsn vil,
der dritte pblezet re beirsn zerne;
der visrde lit re der taverne,
der vümits zeit raller rit.
der ssbst bi viben sieb vsrlit (3930ff.).
Aber was wollen diese Klagen besagen? Solange es Sittenlehrer und
Tugendverbesserer gibt, kehren sie immer wieder. Wichtiger sind zwei
bestimmter gefaßte Vorwürfe. Thomasin rückt dem Adel vor, daß er
s. o. S. 5.
°°° so bestellt er 1209 seinen Ministerialen Robert von Tricano zwn Grasen
Nur die Romagna. Winkelmann (Anm.82) II177; Ficker, Forschungen (Anm.101)
II 413; IV 273. Zu dem Geschlecht vgl. oben S. 46.
 
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