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7. Das erste Buch des Welschen Gastes.

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Wert darauf, daß man wisse, schön zu sprechen und schön zu handeln"^.
Auch sie fordern zur Schönheit Verständigkeit, sin^.
Der Kaplan Andreas hatte davon gesprochen, daß der Liebende in
Gegenwart der Geliebten bleich werde, daß bei dem unvermuteten
Anblick der Geliebten das Herz zitierens. Ähnliche Bahnen geht Tho-
masins lange Erörterung, daß der lip sich n Leb ckom muot wandele (912),
daß ein ioZIieb tue habe sin Mbuorck (919 f.). sin ist vonnöten, um die
Gebärden zu verstehen, zu deuten und sich vor Schaden zu behüten.
Die äußere Schönheit ist Ausdruck innerer. Dem vulsobon Weibe muß
so notwendig zugleich etwas au ihrer sobvono fehlen. Ein vulsob
sobooniu nckp ist keineswegs dem Golde, sondern nur vergoldetem Kupfer
zu vergleichen (959ff.). Es ist Gift im Honig, Zunge und Wille wider-
sprechen einander.
Mit diesen Ansichten bleibt der Dichter noch durchaus im Rahmen
des Höfischen. Die tzüete, die er so stark betont, ist weiter nichts als die
prvbitus mvrum des Andreas, als die eortoru viäu des Arnaut de
Marueil^°. Er unterstreicht seine Lehren, indem er gegenüber der
Helena, welche bot vil soboono unä lütxel siuno (826), eine große
Anzahl von Vorbildern aufzählt, die zwar nicht alle den Titel einer
Königin tragen, die es aber sein könnten an soboonom sinne (1O39f.).
Hier wird noch einmal ganz deutlich, worauf es dein Dichter des ersten
Buches ankommt: nicht auf sittliche Güte, sondern auf soboonon sin,
d. h. auf jene höfische 2ubt, welche die körperliche Schönheit erst zur
Schönheit und Liebenswertheit des ganzen Menschen vollendet.
Die Gestalten seines Vorbilderkataloges sind Thomasin zu ver-
schiedenen Zeiten und aus verschiedenen Quellen zugeflossen. Die
Schule, volksmündliche Überlieferung, höfische Konversation, gelehrte
Anekdoten, sie alle haben beigesteuert^-. Er baut sie ein in das System
höfischer Bildung. Doch ist ihm dabei etwas unbehaglich zu Mute. Er
weiß, daß die uvontiuro, die höfischen Epen, im Grunde doch nur für
denjenigen Wert haben, ckor linke sinno nibt verston bau (1108). Wie
der Bauer, der die Schrift nicht lesen kann, in der Kirche vor den ge-
malten Bildern steht, so mag auch der junge Mensch ans den höfischen

Marfan (Anm. 640) 138, SS; Andreas Capellanus (Anm. 488) 14; z»i>«
parlar: Garin (Anm. 366) 460. Ovid, Lr« .4m. H 182: Duteibim 68t vvrdi« molli«
»t«nän8 amor; vgl. auch ebd. 1 436 ff.
Wechßler (Anm. 340) 127 u. ö.
°°° (Anm. 488) S. 310f. Regel 16, 16.
"" Mahn, Werke (Anm. 448) 1 177, Z. 21; Marfan 83f.
s. o. S. 63 ff.
 
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